Technische Trends wie Web 2.0 und Cloud Computing sind drauf und dran, die Art, wie Menschen in einer Informations- und Wissensgesellschaft zusammenarbeiten, fundamental zu verändern. Die neuen Kollaborationswerkzeuge sind Cloud-Anwendungen, die von jedem Endgerät erreichbar sind. Sie schaffen Plattformen, soziale Netze, in denen Informationen zusammengetragen und strukturiert werden können. Die Anwendungen bieten die technische und organisatorische Grundlage für zeitgemäßes Teamwork.

Das Wiener Start-up Gnowsis entwickelt eine solche Informationsmanagementplattform, die den Angeboten etablierter Softwareriesen wie Microsoft Sharepoint oder IBM Lotus Connections Paroli bieten soll. Gnowsis will mit seiner Anwendung "Refinder" ein Kollaborationstool bieten, das sich nicht nur mit konventionellen Anwendungen wie Datei-Browsern und E-Mail-Clients verbindet, sondern dabei auch "mitdenkt", welche Informationen wo hingehören.

"Die Annahme dahinter ist, dass es immer eine Vielzahl von Anwendungen geben wird, und dass immer über Unternehmensgrenzen hinweg gearbeitet wird", sagt Leo Sauermann, einer der Gründer von Gnowsis.

Datenstrom à la Facebook

Die Arbeit mit Refinder strukturiert sich in sogenannte Collections. Sie repräsentieren die Projekte, an denen Teams gemeinsam arbeiten. Hier werden relevante Daten aus E-Mails, Dateien oder von Websites zusammengetragen. Die eigens programmierten Schnittstellen zu gängigen Programmen, etwa ein Plug-in für Outlook, sollen das Sammeln der Daten auf Knopfdruck möglich machen.

In den Collections strukturieren sich die Informationen in einem Datenstrom, der an Facebook erinnert: Das sei praktisch für eine neue Anwendung, denn, so Sauermann: "Da kennen sich die Leute schon aus." Anwender können hier Inhalte filtern, sortieren, liken, kommentieren. Refinder soll etwa das zeitraubende Hin- und Herschicken von E-Mails mit Attachment ersetzen. Langwieriges Suchen im E-Mail-Fach soll ein Ende haben, relevante Information soll schnell verfügbar sein.

Die Möglichkeiten des Semantic Web helfen dabei, die Inhalte zu strukturieren. Das "Verstehen" des Computers geht damit über eine reine Schlagwortsuche wie bei Google hinaus. Vorstrukturierte, bereits vernetzte Daten und verfügbare Schlagwortsysteme helfen Refinder, den Überblick zu bewahren und Gewichtungen zu treffen. Die Anwendung versucht den Kontext eines neuen Informationsbausteins zu erkennen und macht einen Vorschlag, wo er hingehören könnte, sagt Sauermann. Die Anwendung soll wichtige Inhalte von weniger wichtigen unterscheiden lernen und zieht dabei auch externe Informationsquellen wie Wikipedia zu Rate, um Begriffe zu klären.

Gerade im Bereich wissenschaftlicher Arbeit könnte sich Refinder als nützlich erweisen, hofft Sauermann. Eine Wissenschaftspraxis, die immer stärker auf digitale Publikationen zurückgreift, braucht entsprechende Werkzeuge, damit der Überblick bewahrt werden kann. In einem Wettbewerb von Elsevier, einer der größten wissenschaftlichen Fachverlage, der nach Anwendungen suchte, die mit ihren digitalen Publikationen arbeiten können, wurde Refinder mit dem zweiten Preis ausgezeichnet.

Forschen am Semantic Web

Leo Sauermann (34) hat mit seinem Partner Bernhard Schandl das Start-up 2009 gegründet. Beide sind aus dem Wissenschaftsbetrieb ausgestiegen. Bereits Sauermanns Diplomarbeit an der TU Wien beschäftigte sich damit, wie man Webinhalte, etwa Wikis, mithilfe des Semantic Web verknüpft. Am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) forschte er im Rahmen des EU-Projekts Nepomuk ebenfalls an semantischer Software. Das Schwesterprojekt von Nepomuk in den USA brachte die sprachbegabte Assistentin Siri am aktuellen iPhone 4S hervor, betont Sauermann. Die Idee ist die gleiche. "Aber das sind ganz andere Dimensionen."

Refinder, das unter anderen mit Mitteln der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS) unterstützt wurde, soll Anfang 2012 in ihrem vollen Umfang gegen jährliche Miete verfügbar sein. Derzeit kann eine Betaversion der Cloud-Anwendung getestet werden. (Alois Pumhösel/DER STANDARD, Printausgabe, 9. 11. 2011)