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Im Fußballstadion haben Trainer (im Bild Louis Van Gaal von Bayern München) keine Parteienstellung. Bei EU-Kartell- verfahren wird diese hingegen ausgebaut.

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Die Europäische Kommission tritt in Kartellverfahren gleichzeitig als Ermittlungs- und Strafbehörde auf. Oft sieht sie sich mit der Kritik konfrontiert, ihre Verfahren genügten nicht den rechtsstaatlichen Prinzipien. Das wiegt umso schwerer, als die Kommission sehr hohe Geldbußen verhängt. Gleichzeitig besteht für Dritte, vor allem Beschwerdeführer, das Problem, ausreichend Zugang zu Verfahrensinformationen zu erhalten.

Die Kommission steht daher vor der schwierigen Aufgabe, einen Ausgleich zwischen diesen teilweise gegenläufigen Interessen zu schaffen und dabei das primäre Ziel eines effektiven Kartellrechtsvollzuges, darunter die Verfahrensgeschwindigkeit, im Auge zu behalten. Ein am 17. Oktober beschlossenes Maßnahmenpaket soll die Verfahrensrechte der Parteien in Kartellverfahren stärken und zumindest einen Teil der Kritikpunkte entkräften.

Besserer Zugang

Bereits ein erster Entwurf von 2010 sollte sicherstellen, dass die Parteien von Anfang an über den Verfahrensstand informiert sind und frühzeitig mit der Kommission zusammenarbeiten können. Die neuen Regeln sollen u. a. den Zugang zu Kommissionsunterlagen verbessern und die Rolle des Anhörungsbeauftragten als unabhängige Überwachungsinstanz stärken - im Sinne von mehr Fairness und Transparenz.

So sollen in Zukunft die wichtigsten Kriterien für die Höhe der Geldbuße, eines der Schlüsselthemen in jedem Verfahren, bereits mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte bekanntgegeben werden. Dies gibt den betroffenen Unternehmen schon früh die Möglichkeit, nicht nur auf die Gründe für die Anschuldigungen zu reagieren, sondern auch Argumente gegen die Höhe der voraussichtlichen Geldbuße vorzubringen. In letzter Zeit haben die europäischen Gerichte nämlich die Bemessung der Geldbuße immer wieder kritisiert bzw. diese ermäßigt. Der Austausch der Argumente zu ihrer Höhe bereits im Ermittlungsverfahren ermöglicht es auch der Kommission, diese bei der Bemessung besser zu beachten.

Die bereits 2010 vorgesehenen Treffen zum Verfahrensstand in wichtigen Verfahrensphasen werden in Kartellsachen ausgeweitet, um etwaige "Überraschungseffekte" aufseiten der Parteien zu vermeiden und der Kommission die Gelegenheit zu geben, zeitnah neue Argumente der Parteien zu berücksichtigen. Wenn sinnvoll, können sogar die Beschwerdeführer hinzugezogen werden.

Das neue Paket weitet zudem die Rolle des Anhörungsbeauftragten, der quasi als unabhängiger Schiedsrichter zwischen den Fallbearbeitern und den Parteien fungiert, auf die Ermittlungsphase aus. So kann dieser bei Meinungsverschiedenheiten über die Beantwortung von Auskunftsverlangen angerufen werden. Er übernimmt auch eine aktive Rolle bei den mündlichen Anhörungen und verfasst während des gesamten Verfahrens Berichte über die wirksame Ausübung der Verfahrensrechte. Ein Stellungnahme- und Empfehlungsrecht kommt ihm auch bei Fragen betreffend den Vertraulichkeitsschutz für Schriftverkehr zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten zu.

Das neue Maßnahmenpaket ist ein weiterer Schritt in Richtung einer überfälligen Reform des Kommissionsverfahrens in Kartellsachen. Allerdings zeigt gerade die "Hilfskonstruktion" des Anhörungsbeauftragten, dass einige Mankos bestehen bleiben. Hier sieht man einen der Vorteile des österreichischen Geldbußenverfahrens, das durch das Kartellgericht erfolgt und somit ohne weiteres allen anerkannten rechtsstaatlichen Prinzipien entspricht. (Raoul Hoffer, Christine Dietz, DER STANDARD; Printausgabe, 9.11.2011)