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Strom aus der großen Kloake von Wien

APA-FOTO: EBS

Wien - "Die Klärschlammausfaulung ist der letzte Schrei", schwärmt Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SP). Diese "Ausfaulung", die Sima gemeinsam mit der Grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou präsentierte, sei "das größte Umweltschutzprojekt dieser rot-grünen Legislaturperiode". Eine Investition von insgesamt 200 Millionen Euro bis 2020. Ursprünglich war im rot-grünen Regierungsübereinkommen nur eine Studie zu diesem Projekt vereinbart - jetzt wurde von der Stadtregierung auch deren Umsetzung beschlossen.

Sechs eierförmige, 30 Meter hohe Türme sind es, die errichtet werden. In ihnen soll aus dem Klärschlamm Methan gewonnen und anschließend verstromt werden. Und bei dem, was aus der großen Wiener Kloake daher kommt, ist das eine ganze Menge an Klärgas: Ein Output von jährlich rund 20 Millionen Kubikmeter Methan wird erwartet.

Dieses wird dann anschließend in Energie umgewandelt: Rund 78 Gigawattstunden (GWh) Strom und 82 GWh Wärme werden erwartet. Das ist mehr als der komplette Eigen-Energiebedarf der Kläranlage - und der ist gewaltig: 60 GWh Strom, das ist ein Prozent des Strombedarfes von ganz Wien - und das entspricht in etwa dem Jahresverbrauch von rund 20.000 Haushalten.

40.000 Tonnen CO2-Äquivalente gespart

Die erwartete Bilanz der Klimaschutz-Stadträtin Vassilakou: Rund 40.000 Tonnen an CO2-Äquivalenten werden eingespart - das entspricht den Treibhausgas-Emissionen einer Kleinstadt mit 4000 Einwohnern. Oder anders gerechnet: Das sind ungefähr so viele Treibhausgas-Emissionen, die freigesetzt würden, wenn man die Erde mit einem Auto 6700 Mal umrundete.

Das, was nach dem Verfahren vom Klärschlamm überbleibt, muss weiterhin in den EbS verbrannt werden - allerdings wird die Menge dann um rund ein Drittel reduziert und deutlich trockener sein. Was die Verbrennung deutlich erleichtert.

Vorerst allerdings muss die erste biologische Reinigungsstufe der Kläranlage - bei laufendem Betrieb - erneuert werden, da sie bereits 20 Jahre auf dem Buckel hat. Das wird aus heutiger Sicht die ersten 100 Millionen Euro kosten. Dann erst kann auf dem Areal die Klärgasnutzung errichtet werden - um weitere 100 Millionen Euro. "Durch die große Einsparung der Energiekosten werden wir diesen zweiten Teil der Investition schnell wieder herinnen haben", prognostiziert Sima. Das Genehmigungsverfahren für dieses Projekt soll im kommenden Jahr starten, der Baubeginn ist für das Frühjahr 2015 anvisiert - die Inbetriebnahme mit Ende 2020.

Elektromobile und -Bikes

Danach wird die Wiener Hauptkläranlage - in der pro Sekunde im Schnitt 7000 Liter Abwasser geklärt werden - über eine umfassende Palette an nachhaltiger Energieerzeugung verfügen. Denn schon jetzt rotiert am Gelände ein 10 kW-Windrad, das pro Jahr rund 2000 Betriebsstunden im Einsatz ist: Mit dem daraus gewonnenen Strom kann die Beleuchtung in den verzweigten Kavernen unter den Klärbecken versorgt werden.

Auf dem weitläufigen Gelände sind weiters bereits Elektromobile und e-Bikes unterwegs - die an einer betriebseigenen Stromtankstelle aufgeladen werden, die wiederum von einer Fotovoltaikanlage gespeist wird.

Und die Betriebsküche und die Garderoben der Mitarbeiter werden von einer solarthermischen Anlage beheizt. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2011)