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Die Restaurierungssarbeiten am Parthenon-Tempel auf der Akropolis in Athen wirken symbolhaft für Griechenlands gegenwärtige Lage.

Foto: AP/Petros Giannakouris

Die Grundsatzeinigung ist geglückt, die beiden Volksparteien werden in Griechenland gemeinsam regieren. Unter den Menschen ist die Freude begrenzt, zu hart hat die schwere Rezession dem Land zugesetzt.

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Manchmal ist noch ein Bürosessel oder ein Schreibtisch zurückgelassen worden, in den meisten Fällen ist aber nur mehr eine triste, leere Auslage mit der Aufschrift "Mieter gesucht" und einer Telefonnummer geblieben. Athen ist zu einer Stadt der verwaisten Geschäfte geworden. Eineinhalb Jahre Einsparungen, Streiks und Regierungskrisen haben die griechische Hauptstadt sichtlich gezeichnet.

Die Zahl der Bettler war für westeuropäische Verhältnisse schon immer hoch. Verblüffend ist aber nun, wie viele Geschäfte zugesperrt haben. Beinahe in jeder Straße stehen sie, die leeren Auslagen. Es sind kleine Bistros, Uhrmacher, Immobilienmakler und Ramschläden, die reihenweise ihre Pforten schließen müssen. Selbst auf der Ermou-Straße, einer der wenigen schicken Einkaufsmeilen unweit des Parlaments, ist die Krise spürbar.

Statt für 170 und 200 Euro, bietet der Schuhverkäufer Giannis seine Ware nun einheitlich um 30 bis 50 Euro an. "Verdienen lässt sich damit wenig. Aber wer mit den Preisen nicht runtergeht, ist erledigt", meint er trocken. Ein paar Häuser weiter, in einem Hut- und Kettengeschäft dasselbe Bild. "Wir haben die Preise um fünfzig Prozent reduziert und verkaufen trotzdem ein Drittel weniger als früher", sagt die Angestellte Vicky. "So schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie. Die griechischen Geschäfte machen reihenweise zu, nur ausländische Ketten wie Adidas und H&M halten das noch durch."

Resignation, manchmal auch Angst und Wut: Mit diesen Schlagworten lässt sich die Stimmung in Athen nach einer völlig unrepräsentativen Umfrage am treffendsten zusammenfassen.

Dabei zeichnete sich zu Wochenbeginn zumindest das Ende der politischen Krise ab. In der Nacht auf Montag haben sich der sozialistische Premier Giorgos Papandreou (Pasok) und Oppositionsführer Antonis Samaras (Nea Dimokratia, ND) auf die Bildung einer neuen Koalition geeinigt. Für griechische Verhältnisse kommt das einem politischen Erdbeben gleich, denn die beiden Großparteien sind traditionell verfeindet. Der Druck von der EU, aber auch aus der Pasok und der ND, hat zur Einigung geführt.

Rasch stand fest, dass Papandreou die neue Regierung nicht anführen würde. Schwieriger gestaltete sich die Suche nach seinem Nachfolger. Den ganzen Tag über verhandelten Papandreou und Samaras. Die meisten griechischen Medien tippten auf Lucas Papademos als neuen Regierungschef. Der frühere Notenbankchef und ehemalige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank gilt als pasoknahe, ist aber, so weit bekannt, parteilos.

Hauptaufgabe der neuen Regierung wird es sein, das mit der Eurozone und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgehandelte Kreditabkommen vom 27. Oktober umzusetzen. In dem Paket wurde erstmals eine Beteiligung der Banken an den Kosten der griechischen Schuldenkrise vereinbart, zudem erhält Athen neue Kredite in Höhe von 130 Milliarden Euro von IWF und aus dem Rettungsschirm. Ab Januar soll die neue Regierung in Athen mit den Banken die Details der Vereinbarung aushandeln. Die neue Koalition wird dafür über eine bequeme Mehrheit verfügen, sie stellt 237 der 300 Abgeordneten im Parlament.

Politologen sehen in dem Kompromiss einen Fortschritt, warnten aber vor zu hohen Erwartungen. "Die neue Regierung könnte dank ihrer breiten Mehrheit einiges umsetzen. Aber der Frieden wird nicht lange halten", prophezeit Paris Varvaroussis. Spätestens im Dezember, wenn schon beschlossene Einsparungen wie etwa die Entlassung von 30.000 Staatsbediensteten und weitere Kürzungen umgesetzt werden müssen, "wird es in der Koalition krachen", warnt der Politologe.

Krach in der Koalition

Auch bei der Nea Dimokratia will man keine zu hohen Erwartungen wecken. Die neue Regierung werde bis Februar 2012 im Amt bleiben und das mit der Eurozone vereinbarte Programm beschließen, sagte der ND-Abgeordnete Evripidis Stylianidis dem Standard. "Neue Einsparungen wird die Einheitsregierung aber nicht umsetzen. Das kann erst nach den Neuwahlen passieren."

Ob das die Kreditgeber aus der Eurozone und vom IWF auch so sehen, ist fraglich. Schon jetzt steht fest, dass Athen sein Defizit 2011 nicht wie vereinbart auf unter 7,5 Prozent der Wirtschaftsleistung wird bringen können. Ohne Nachbesserungen, also weitere Einsparungen, dürfte die Lücke weiter wachsen. Weiter nur schleppend kommt auch das Privatisierungsprogramm voran, aus dem die ersten Milliarden 2011 fließen sollten. Bisher wurde noch kein Staatseigentum verkauft. (András Szigetvari aus Athen, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.11.2011)