In Italien gibt es nur wenige Rad- und noch weniger Fußwege, meist muss man sich den Weg mit Schwerverkehr teilen.

Foto: Rowin Höfer

Gerade im Herbst lässt sich genug Obst und Gemüse am Wegesrand finden und leicht von der Hand in den Mund leben.

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Auch Schlafplätze wie dieser Rohbau finden sich immer wieder am Weg - man braucht nur ein bisschen suchen.

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Unsere Wanderung startete am dritten Oktober. Ein Tag, an dem für viele Freunde die Uni, der Zivildienst oder andere gewohnte Pflichten begannen. Dieses Mal wollten wir nicht mitmachen, sondern dem Strudel des ewigen Schaffens und Müssens entkommen. Deshalb bedeutet der Tag für uns auch der Beginn eines neuen Lebens, eines auf Wanderschaft. Keine unnötigen Verpflichtungen oder zeitlichen Einschränken sollen uns mehr belasten, denn wirkliche Freiheit heißt nicht, dass man tun kann, was man will, sondern dass man nicht tun muss, was man nicht will.

Viele Menschen fragen uns, warum wir ausgerechnet zu dieser Jahreszeit gehen, in der es schon recht kalt und feucht ist. Nun zum einen haben uns oben genannte Pflichten aufgehalten, zum anderen ist der Herbst die Zeit der Ernte, was für uns bedeutet, dass wir genug Obst und Gemüse am Wegesrand finden und leicht von der Hand in den Mund leben können.

Wenig Bedürfnisse, kaum Geld

Dass wir nicht arbeiten und kein Geld verdienen, sondern einfach nur leben, können ebenso wenige verstehen. Doch wer wenig Bedürfnisse hat, braucht auch kaum Geld. Arbeit stellt immer noch einen starken gesellschaftlichen Wert dar, auch wenn sie noch so sinnlos oder gar zerstörerisch ist und oft nur zu moneträrem beziehungsweise materiellem Wohlstand führt. Zwar wissen viele, dass weniger meist mehr ist und dies oft glücklicher und freier macht - doch wie viele haben es schon erlebt oder gespürt?

Wir leben nicht in Wohlstand und besitzen nur so viel, wir mit uns tragen können, dafür steht uns enorm viel an der so kostbaren Zeit zur Verfügung. Zeit für uns und für andere, Zeit zum Denken und Überdenken, Zeit um intensiv und glücklich zu leben.

Unverständnis für Fußgänger

Heutzutage, wo wenig bis keine Zeit für solche Dinge vorhanden ist und alles in rasanter Geschwindigkeit zu geschehen hat, treffen wir als Fußgänger nicht selten auf Unverständnis und Intoleranz. Es stimmt uns nachdenklich, dass die älteste und natürlichste Art der Fortbewegung immer seltener vollzogen wird. Sind auch wir Europäer schon so abhängig von Maschinen und Fahrzeugen?

Gerade in Italien bekommen wir zu spüren, wie schwer es ist, zu Fuß von Ort zu Ort zu kommen. Es gibt kaum Radwege und schon gar keine Fußwege. Die meisten Straßen sind stark und schnell befahren. Die Frage nach dem "Warum und Wieso zu Fuß zu gehen, anstatt zu fahren" bekommen wir hier unzählige Male zu hören oder in den verwunderten Gesichtern der Menschen zu sehen.

Aufnahmefähigkeit im Gehen

Genau so oft fragen wir uns nach dem Sinn, mit über hundert Kilometer in der Stunde durch die Landschaft zu rasen, wenn wir Menschen doch nur in Schritttempo mit der Geschwindigkeit reisen, in der wir gleichzeitig alles verarbeiten können, was unsere großartigen Sinne so aufnehmen. In den zwei Wochen zum Beispiel, die wir von Wien nach Villach benötigt haben, hätten wir die Strecke bestimmt über fünfzig Mal mit einem Fahrzeug zurücklegen können, doch würden wir die Gegend, die Menschen und die Stimmung immer noch nicht kennen.

Eine sehr positive Sache ist uns in Bezug auf die Zeit in Italien allerdings aufgefallen. Nahezu alle Tätigkeiten werden zur Mittagszeit eingestellt. Geschäfte schließen zwischen zwölf und dreizehn Uhr und öffnen erst wieder drei bis vier Stunden später. Auch sonst ist in der Zeit der Siesta kaum etwas los. Eigentlich eine gute Voraussetzung, Zeit für sich zu haben, anstelle ständig zu arbeiten.

Wandern bis in die Nacht

Wir passen uns an und legen zu Mittag auch gerne Mal eine lange Pause ein, obwohl wir dadurch oft in der Finsternis unterwegs sind. Finden wir keinen sicheren Weg, sondern nur die gefährliche Hauptstraße, so halten wir einfach im nächsten Ort und gehen erst am nächsten Tag weiter.

Wir wollen langsam unterwegs sein, denn: "Es gibt wichtigeres im Leben, als ständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen", sagt Mahatma Gandhi. (Rowin Höfer/Marvin Fritz, derStandard.at, 7.11.2011)