Im Grunde war alles in bester Ordnung, bis die Reißerische gemeint hat: ‟Teufelsgraben, das klingt doch romantisch." Aber bis zu diesem Zeitpunkt war alles einfach herrlich. Doch von vorne. Vor ein paar Wochen ruft der Joe Lechner an. Er hat eine Husaberg FE 390 und eine TE 300, von denen er meint, dass wir sie ein bisserl ins Grüne führen sollten.

Foto: Guido Gluschitsch

Weil ich weiß, dass der Joe auch schnell einmal eigene Touren aufstellt, wenn man ein paar Leute zusammentrommelt, haben wir uns darauf geeinigt, mit ein paar Freunden nach Istrien zu fahren und dort drei Tage umzuackern.

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Binnen weniger Tage hatten wir zwölf Leute beisammen, die ganz entspannt eine leichte Offroad-Tour machen wollten. Schotterstraßerl, Single-Trails, Zeit, die Aussicht zu genießen, am Abend gut essen gehen.

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Und dann hört die Reißerische Teufelsgraben, und die Hölle bricht über uns herein. Für die nächsten 300 Meter sollten wir eineinhalb Stunden brauchen, nur weil es der Reißerischen nach Romantik ist. Dabei tut mir von gestern noch alles weh.

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Als wir gestern eine kleine Pause machten, an den Wasserflaschen nuckelten, hat sich der Joe nicht zurückhalten können und ist einfach in die überdimensionale Sandkiste am Wegesrand gedüst. Von oben hat man nur gehört, wie der 300er-Zweitakt-Motor der Berg kurz aufheult, dann stieg Staub auf, und aus diesem sprang der Joe heraus.

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Der Steilhang war gut 30 Meter lang und verdient das Wort steil vor Hang zurecht. Die 300er frisst den Hang wie der Joe einen Teller Pljeskavice: Ein Schnapper, und schon ist es vorbei. „Die TE 300 ist ein Januskopf", sagt er, „wenn du es brauchst, entwickelt sie eine martialische Kraft - aber unten heraus ist sie sanft wie Raphaels Cherubini."

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Während die Reißerische und die meisten anderen die Aussicht über die istrischen Hügel genießen, stürze ich mit ein paar „Psychos", wie Joe sie nennt, den Abhang hinunter, nur um ihn wieder raufzufahren. Ich hab dem Joe noch gesagt, dass ich es für keine gute Idee halte, mit einem Motorrad, das nicht das meine ist, den Steilhang hinaufzufahren. Aber er hat abgewunken und gemeint, dass dies wohl kein Problem sein wird. Wenige Sekunden später ist die Berg abgeschunden, als ob tausende Jahre Gletscher über ihr gekalbt hätten.

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Mein Gewand ist zerrissen, und die Protektoren fühlen sich an den Stellen, an welchen sie das Blut tränkt, wunderbar warm und weich an, auch wenn genau diese Stellen brennen. Bevor wir weiterfahren, muss der Joe die Viertakter wieder hinaufstellen, wo die Gruppe wartet.

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„Sie ist das ideale Motorrad für Langstrecken-Rennen wie das Enduro-Masters - und Leute, die besser fahren als du", beschreibt er mir die Husaberg mit dem 390 Kubikzentimeter großen Viertakter, der liegend montiert ist. Dadurch fährt sich die Berg etwas einfacher, ist aber um den gleichen Tick schwerer aufzuheben, weil der Schwerpunkt durch den liegenden Zylinder etwas nach oben wandert.

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„Das weiche Fahrwerk und der seidige Antritt schonen den Fahrer, und so sind auch Rennen über lange Distanzen kein Problem. Ganz anders die 300er-Zweitakter. Die ist das ideale Sprint-Motorrad, weil man sie richtig aus engen Kurven schießen kann. Aber über sechs Stunden reißt sie dir dann einfach die Ärmel aus."

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Nach dem leichtsinnigen Abstecher, der maximal zur Unterhaltung der anderen Tour-Freunde herhalten konnte, war wieder alles perfekt. Wir zogen durch Wälder, kamen durch kleine Dörfer und rasteten auf einem Gipfel, wo uns die wenigen Wanderer freundlich grüßten -, während man sich bei uns fürchten muss, dass sie versuchen, einen mit dem Rucksack vom Bock zu schießen.

Foto: Guido Gluschitsch

Heute war es sogar noch feiner. Enge Single-Trails durch den herbstlichen Wald wechseln sich mit Abstechern über Wiesen ab, die herrlich frisch nach Kräutern riechen. Einfache Bachdurchfahrten sind das Enduro-Zuckerl der Tour. Bis eben die Reißerische an einer Weggabelung, an der wir kurz halten, das Wort Teufelsgraben hört, und gleich romantische Gefühle bekommt.

Foto: Guido Gluschitsch

Wir kuscheln dann auch alle brav mit Mutter Erde. Der Steinboden, über den ein kleines Rinnsal läuft, ist so rutschig, dass bei uns jedes Glatteis neidisch wäre. Damit es spannender wird, versperren kniehohe Felsbrocken den Weg.

Foto: Guido Gluschitsch

Bis dann die Ausfahrt aus dem Graben kommt: steil, teilweise senkrecht, mit Felsen verziert wie mein Gesicht während der Pubertät mit Pickeln. Ohne den Joe wäre ich dort nie wieder rausgekommen - die Reißerische zum Glück aber auch nicht.

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Doch während ich nach Luft schnappe, fand sie die Kunst des Herrn Lechner besonders beachtenswert und schaute ihm mit verträumtem Blick zu, wie er ein Eisen nach dem anderen über den Ausstieg schoss. Die Romantik ist eben auch nicht mehr das, was sie einmal war.

Foto: Guido Gluschitsch

Informationen:

Joe Lechner, Mastermind hinter Terra X-Dream, stellt ab einer Gruppengröße von mindestens sechs Fahrerinnen und Fahrern eigene Touren zusammen, die sich ganz nach dem Können der Gruppe richten. Leihmotorräder gibt es auf Anfrage. Außerdem repariert er auch im mitten im Gelände einmal einen Kühler, wenn es sein muss.

Terra X-Dream

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