Wien/London - Optimale Wirkung mit möglichst wenigen schädlichen Nebeneffekten - das ist das Ziel jeder medikamentösen Therapie. Unter der Leitung von Wiener Krebsspezialisten gelang es jetzt einem internationalen Wissenschafterteam, einen Biomarker zu definieren, der Hinweise auf die Wirksamkeit einer späteren Behandlung von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinomen auf das Biotech-Medikament Cetuximab gibt.

Die Studie unter Leitung von Robert Pirker von der Klinischen Abteilung für Onkologie und Hämatologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I der MedUni Wien am AKH ist online in "Lancet Oncology" erschienen. Der Hintergrund, so Pirker: "In einer großen wissenschaftlichen Untersuchung wurde gezeigt, dass bei Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC, Anm.) im Stadium IV, also nicht operabel und mit Metastasen, eine Behandlung mit einer Chemotherapie und dem monoklonalen Antikörper Cetuximab die Mortalität reduziert. Aber diese Untersuchung wurde an einer sehr breiten Patientengruppe durchgeführt."

4.000 Fälle jährlich von Lungenkarzinomen

Der monoklonale Antikörper blockiert an der Oberfläche von Lungenkarzinomzellen die Rezeptoren für den Wachstumsfaktor EGF (Epidermal Growth Faktor). Das hemmt das Wachstum der Zellen und führt in Kombination mit einem Chemotherapeutikum, zum Beispiel Cisplatin, zu einer längeren Kontrolle der Erkrankung. Für Patienten mit einem bereits inoperablem Lungenkarzinom und Karzinom-Absiedelungen (Metastasen) ist eine medikamentöse Behandlung die einzige mögliche Therapie.

Pirker: "In Österreich gibt es pro Jahr etwas weniger als 4.000 neue Fälle von Lungenkarzinomen. Davon sind etwa 80 Prozent sogenannte nicht-kleinzellige Lungenkarzinome. Ein Drittel wird im Frühstadium entdeckt, 40 Prozent aber erst im Stadium IV."

In der neuen Studie wurde versucht, bei Patienten mit nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen im Stadium IV den Kreis jener Betroffenen genauer einzugrenzen, welche von einer Kombinationstherapie mit einem Zystostatikum und dem monoklonalen Antikörper besonders profitieren. Der Onkologe: "Aus der ersten Studie mit Cetuximab gab es von 1.121 Patienten durch die Untersuchung von Tumor-Gewebeproben Daten darüber, ob die Karzinomzellen an ihrer Oberfläche den Rezeptor für EGF aufwiesen (EGFR, Anm.)."

Es ist plausibel, wenn man davon ausgeht, dass das Biotech-Medikament, das ja die EGF-Rezeptoren blockieren soll, nur bei Karzinomen wirkt, die auch dieses Charakteristikum aufweisen. Die Wissenschafter führten eine neuerliche Analyse der Daten aus der Studie mit den mehr als 1.100 Patienten nach diesem Gesichtspunkt durch.

Die Ergebnisse: Patienten mit Karzinomen mit einer hohen Anzahl EGF-Rezeptoren sprachen auf die Kombinationstherapie mit dem Chemotherapeutikum und dem monoklonalen Antikörper besonders gut und weitgehend ohne Nebenwirkungen an. Nach zwei Jahren lebten noch 24 Prozent. Hatten sie ausschließlich eine Chemotherapie erhalten, waren es nur 15 Prozent. Die mediane Überlebenszeit (50 Prozent der Patienten darüber, 50 Prozent der Patienten darunter, Anm.) betrug bei Patienten mit hoher Rezeptordichte zwölf Monate, wenn sie die Kombinationsbehandlung erhalten hatten, hingegen nur 9,6 Monate bei alleiniger Chemotherapie.

Laut Pirker und seinen Co-Autoren lässt sich damit eine Gruppe von Lungenkarzinompatienten genauer definieren, die für eine solche Therapie speziell infrage kommen. Bei den Kranken, bei denen die Karzinomzellen nur wenige der EGF-Rezeptoren aufwiesen, hatte die zusätzliche Verabreichung von Cetuximab nämlich keinen statistisch relevanten Effekt. (APA)