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Ein Militärschlag gegen den Iran hält Politikwissenschafter Posch für unwahrscheinlich.

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Zur Person: Walter Posch ist promovierter Iranist und forscht bei der Berliner SWP zu Transformationsprozessen bei den iranischen Neofundamentalisten. Zuvor war Posch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Europäischen Institut für Sicherheitsstudien in Paris (EUISS).

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Laut einem Bericht der britischen Tageszeitung The Guardian bereitet sich die britische Armee darauf vor, den USA im Falle eines Militärschlages gegen den Iran beizuspringen. Der Politologe Walter Posch von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin gibt im E-Mail-Interview mit derStandard.at eine Einschätzung dieser Nachricht.

derStandard.at: Halten Sie den Guardian-Bericht für glaubhaft? 

Posch: Es handelt sich dabei wahrscheinlich um eine gewöhnliche Notfallplanung: Was soll Großbritannien tun wenn die USA tatsächlich zuschlagen wollen.

derStandard.at: Ist die Ankündigung Großbritanniens lediglich Säbelrasseln, oder ist ein Militärschlag gegen den Iran tatsächlich eine Möglichkeit?

Posch: Im Allgemeinen gilt, dass nur die USA in der Lage sind, den Iran militärisch zu bezwingen.

derStandard.at: Erhöht sich durch den Bericht der Druck auf den Iran, weil damit militärisches Vorgehen zumindest diskutiert wird?

Posch: Das wird sicherlich versucht, ist aber insoweit sinnlos weil die meisten Entscheidungsträger im Iran Kriegsveteranen sind, die sich davon nicht beeindrucken lassen.

derStandard.at: Gibt es tatsächlich konkrete Hinweise auf ein Atomwaffenprogramm des Iran? Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO bzw. IAEA) will nächste Woche einen Bericht vorlegen, der Auskunft über ein mögliches Atomwaffenprogramm des Iran geben könnte. Laut Guardian eventuell ein "Game Changer".

Posch: Tatsache ist, dass die Iraner in der IAEA isolierter sind, als sie es bisher waren und ein Bericht daher eher negativ ausfallen wird. Zu beachten ist jedoch, dass die politische Interpretation wichtiger als die konkrete Gefahr ist. Im Prinzip geht es darum, dass die Iraner sich das Tor zu einem Waffenprogramm offen halten wollen. Nach Lesart der dritten Welt, steht den Nicht-Atomwaffenstaaten eine Atomwaffenfähigkeit zu. Der Westen lehnt diese Interpretation natürlich ab, dazu kommt noch, dass, falls der Westen sich hier flexibel zeigen sollte, zuerst alle anderen regionalpolitischen Probleme mit Iran aus der Welt geschafft werden müssten. Und dazu gehört selbstverständlich auch, dass Teheran die Sicherheitsbedürfnisse Israels berücksichtigen muss.

derStandard.at: Die USA haben immer betont, den Konflikt mit dem Iran nicht militärisch lösen zu wollen? Ist ein Abgehen von dieser Strategie zu erwarten?

Posch: Nein.

derStandard.at: Kann sich die USA einen weiteren Kriegsschauplatz politisch leisten? Auch in Hinblick auf die Präsidentschaftswahl 2012?

Posch: Vielleicht sollte man zuerst fragen, ob sich die Menschen in der Region einen weiteren Kriegsschauplatz leisten können? Dann lautet die Antwort Nein.
Hinsichtlich der USA ist Folgendes zu sagen: ein Luftschlag allein würde nicht genügen, die Iraner von einer Gegenreaktion abzuhalten. Also müsste man das Land richtig erobern, wofür die Truppen fehlen. Außerdem scheint die Marke Obama nicht für Kriege zu taugen. Es würde also für seine Wiederwahl wenig Sinn machen, einen Krieg zu beginnen.

derStandard.at: Wie würde die internationale Gemeinschaft auf einen eventuellen Militärschlag reagieren?

Posch: Wahrscheinlich gespalten, in den Medien wird die Mehrheit wohl dafür sein. Im Allgemeinen gilt: Die Iraner haben ihr Image dermaßen ruiniert, dass die überwiegende Mehrheit wohl gleichgültig reagieren wird. (derStandard.at, 3.11.2011)