Manche Kommentatoren greifen sich in der Tat an den Kopf, überraschend viele aber bekunden Respekt und Sympathie: Der Plebiszit-Entschluss des griechischen Premiers im Meinungsspiegel internationaler Zeitungen.

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Le Figaro: (Paris) Ministerpräsident Giorgos Papandreou will also um die Zukunft seines Landes und die der Eurozone pokern. Griechenland ist mit gefälschten Bilanzen in die Währungsunion eingebrochen. Es ist bekannt für seine laxe Steuerpolitik und seine ineffiziente Verwaltung. Ungeachtet dessen wurde es bereits zweimal von seinen Partnern gerettet. Jetzt ist das Maß voll. Die jüngste Posse hat das Land endgültig unglaubwürdig gemacht.


Berliner Zeitung:
Wann, wenn nicht jetzt, ist ein Referendum angebracht? Was auch immer an brutalen Schuldenschnitten, Sparmaßnahmen und Strukturreformen vereinbart wurde - gegen den Willen und Widerstand des griechischen Volkes ist es nicht machbar.

Libération: (Paris) Auf die schlimmste Weise, im schlimmsten Zusammenhang und mit den schlimmstmöglichen Folgen für uns alle stellt Papandreou die richtige Frage: Was halten die Völker von den brutalen Sparkuren, die ihnen auferlegt werden? Den Griechen, dieser Avantgarde der Verzweiflung, gebührt Dank dafür, dass sie diese Frage stellen und als Erste darauf antworten werden. Und uns bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass eine Wirtschaftskrise immer den ersten Akt des Zusammenbruchs der Demokratien einleitet

Frankfurter Rundschau: Wie kann man sich darüber wundern, dass der griechische Premier sein Volk fragen will, ob es dieses Maß an Unterwerfung, an Kontrolle, an Aufgabe von Souveränität wirklich will? Wenn hier also etwas erschreckt und irritiert, dann doch dies: Dass auf den zahllosen Konferenzen, Sitzungen, Gipfeln zur griechischen Krise offenbar nie über die Frage gesprochen wurde, wie und mit welcher Legitimation die Regierung die in Brüssel ausgehandelte bittere Diät zu Hause eigentlich durchsetzen will. Die Menschen müssen überzeugt, sie müssen mitgenommen werden,


Tagesanzeiger: (Zürich) Es ist ein mutiger Befreiungsschlag. Giorgos Papandreou hat nicht demissioniert und Neuwahlen ausgerufen. Das wäre der leichtere Weg gewesen, er hätte sich damit aber auch aus der Verantwortung gestohlen. Es geht hier nicht nur um die Zukunft Papandreous oder des EU-Projekts schlechthin, falls der Euro scheitert. Auch die Griechinnen und Griechen stehen vor der grundlegenden Frage, ob sie ihr Leben ändern wollen: Sie müssen ihre Gewohnheiten, ihre Einstellung gegenüber Staat und Gemeinschaft ändern, wenn sie die Hilfe der EU weiter beanspruchen wollen. Darüber sollten die Griechen selbst entscheiden dürfen.

Magyar Nemzet: (Budapest) Die Geschichte der EU-Mitgliedschaft Griechenlands ist gleichbedeutend mit gefälschten Statistiken, mit anmaßenden Ansprüchen und Erpressungen. Zugleich kommt die Frage auf: Wenn die rund 500 Millionen Bewohner der Europäischen Union gefragt würden, ob die Griechen nicht nur die Eurozone, sondern gleich die ganze EU verlassen sollten - würde Papandreou dies dann auch demokratisch finden?

Frankfurter Allgemeine: Papandreous Pläne könnten den einen oder anderen Bundesbürger, der sich von der Einheitsfront der deutschen Parteien in der Euro-Politik nicht mehr vertreten sieht, zu der Frage verleiten, warum eigentlich die Griechen darüber abstimmen dürfen, ob sie gerettet werden wollen, nicht aber die Deutschen, ob sie und ihre Kinder für solche Zwecke Bürgschaften in Milliardenhöhe schultern möchten. Auch das könnte erklären, warum das Entsetzen über die Nachricht aus Athen in Berlin besonders groß war.

Daily Telegraph: (London) Es ist schaurig, das schreiben zu müssen, aber die EU-Spitzen sind offenbar bereit, die griechische Demokratie zu zerstören und die griechische Wirtschaft zu vernichten - nur um den Euro nicht scheitern zu lassen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.11.2011)