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Von Wien- Meidling nach Graz-Hauptbahnhof in zweieinhalb Stunden.

Foto: AP Photo/Hans Punz, Bearbeitung: Bianca Blei

Von Wien nach Graz. Mit dem Auto brauche ich für die Strecke ungefähr zwei Stunden. Mit der Bahn nur eine halbe Stunde länger. Dafür ohne Stau, Baustellen und erhöhter Konzentration. Für den Wochenendtrip hatte ich zudem das Sparschiene-Ticket für die Zweite Klasse um neun Euro gelöst. Im Vergleich dazu: Die Tankkosten für eine Strecke betragen rund achtzehn Euro (da ist der Autoverschleiß aber noch nicht miteingerechnet). 

Als ich die Abteiltür schließlich mit einem Ruck öffnete, erinnerte ich mich an eine Geschichte, die ich vor etwa drei Monaten erlebt hatte: Ich teilte mir damals das Abteil mit einer älteren Dame und einem Herren. Die Interaktion zwischen uns beschränkte sich bis Mürzzuschlag auf "Grüß Gott" und "Ist da noch frei?". Das änderte sich aber schnell, als der Herr von der Toilette kam und beim Türschließen eben diese aus der Verankerung hob. Durch den Versuch sie wieder zu öffnen und einzuhängen, blieb sie halb in der Führungsschiene hängen und rührte sich keinen Millimeter mehr. Der Zug rollte weiter und die Schaffnerin kam. Sie versuchte sich durch den schmalen Spalt zwischen Kabinenwand und Tür zu pressen, scheiterte aber. In ihrer Stimme klang ein wenig Panik mit, als sie versprach, Hilfe zu holen.

Mit dem Wagen gegen die Tür

Im Abteil herrschte entspannte Stimmung. Noch. Denn im Gespräch stellte sich heraus, dass der Herr in Bruck an der Mur (der nächsten Station) aus- und umsteigen musste. Die Dame und ich hatten für die Rettung noch bis Graz Zeit. Nach zehn Minuten kehrte die Schaffnerin, noch panischer und aufgeregter als vorhin, zurück. Im Schlepptau den Herren, der uns noch vor einer halben Stunde "KaffeeTeeKalteGetränkeSnacks" angeboten hatte. Er ruckelte an der Tür, trat mit dem Fuß auf die Führungsschiene und fuhr mit dem Getränkewagen dagegen, damit sie sich ein wenig lockerte. Außer dem Lautstärkepegel im Waggon bewegte sich aber nichts.

Vor dem Abteilfenster erschien ein blaues Schild "Bruck an der Mur" - der Mann presste seinen Koffer durch den Spalt und versuchte selbst ins Freie zu gelangen, gab aber auf, als er steckenzubleiben drohte. Er rief nach der Schaffnerin, aber sie erschien nicht. Stattdessen hörten wir die Stimme der Dame über den Lautsprecher: "Wegen eines technischen Gebrechens in einem der Abteile kommt es zu einem längeren Aufenthalt."

Taxi empfohlen

Den Aufenthalt hätte man sich im Nachhinein gesehen aber auch sparen können, denn der Bahnhofstechniker war schon nach Hause gegangen. Aber notfalls würde uns die Feuerwehr in Graz aus dem Zug schneiden, versprach die Schaffnerin, als sie meinem Abteilkollegen seine Entschädigung durch den Türspalt reichte: Zwei Einzelfahrkarten. Die würden ihm aber heute nichts mehr bringen, da es keinen Anschlusszug mehr in Bruck zu seinem Fahrziel gebe. Sie empfahl ein Taxi und verschwand. Fazit: Gegen so viel Aufregung während einer Zugfahrt, ist Autofahren ziemlich langweilig. Und teurer.

Der Vollständigkeit halber: In Graz stiegen drei Techniker in den Zug, betätigten einen Schalter und die Tür sprang aus der Verankerung. So einfach wäre es anscheinend gegangen. (Bianca Blei, derStandard.at, 2.11.2011)