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US-Medien hatten von annähernd 700 Millionen Dollar (514 Mio. Euro) berichtet, die auf Kundenkonten fehlten.

Foto: EPA/JUSTIN LANE

New York - Die Vermutungen über unsaubere Praktiken bei der Pleitefirma MF Global scheinen sich zu bestätigen: Der zusammengebrochene US-Wertpapierhändler hat nach einem Bericht des "Wall Street Journal" tatsächlich Gelder seiner Kunden abgezweigt. Das hätte die Finanzfirma gegenüber den Aufsichtsbehörden eingeräumt, berichtete die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Beamten. Allerdings sei weiterhin unklar, wohin das Geld geflossen, wer das Vorgehen angeordnet und wie verbreitet die Praxis gewesen sei. Die US-Börsenaufsichtsbehörden SEC und CTFC hatten mitgeteilt, dass sie "Unregelmäßigkeiten" prüfen.

US-Medien hatten zuvor von annähernd 700 Mio. Dollar (514 Mio. Euro) berichtet, die auf Kundenkonten fehlten. Als Ursache der Lücke war zwischenzeitlich auch über eine schlampige Buchführung bei MF Global spekuliert worden. Ein Verdacht ist nun, dass das Management auf das Geld seiner Kunden zurückgegriffen hat, als die Finanzfirma immer mehr in Schieflage geriet. MF Global hatte am Montagmorgen Insolvenz anmelden müssen, nachdem ein Notverkauf in letzter Minute wegen des ungeklärten Verbleibs der Millionen geplatzt war.

Auch der Chef der Derivatebörse CME, Craig Donohue, berichtete am Dienstag in einer Telefonkonferenz davon, dass MF Global die Regeln für den Umgang mit Kundengeldern verletzt habe. "Wir sind derzeit nicht in der Lage, den genauen Umfang der Verfehlungen zu beziffern", sagte er. Die CME habe aber eine Untersuchung eingeleitet und arbeite dabei eng mit der zuständigen Aufsichtsbehörde CFTC zusammen. MF Global selbst äußerte sich bis dato nicht öffentlich zu den Vorwürfen.

Abwickler

MF Global hatte für seine Kunden aus der Finanzindustrie - etwa Hedgefonds - Börsengeschäfte abgewickelt. Die Kundenvermögen müssen dabei aus Sicherheitsgründen stets von dem Vermögen des sogenannten Brokers getrennt werden. MF Global etwa hatte auf eigene Rechnung in großem Stil auf eine rasche Erholung der Eurozone gewettet und europäische Staatsanleihen im Volumen von 6,3 Mrd. Dollar angehäuft - viel zu viel für eine derart kleine Firma, wie die Ratingagenturen befanden. Der Aktienkurs brach ein, MF Global ging am Ende das Geld aus.

Die beiden US-Aufsichtsbehörden SEC und CTFC hatten erklärt, die Untersuchungen könnten dauern. MF Global war ein Schwergewicht unter den Wertpapierhändlern und nach eigenen Angaben an mehr als 70 Börsen weltweit vertreten. In der Branche wird nun befürchtet, dass ihre Kunden das Vertrauen in die Zunft verlieren könnten. Ein großer Teil des Finanzwesens beruht aber gerade darauf, dass sich die Geschäftspartner aufeinander verlassen können.

Ohne Vertrauen versiegt der lebensnotwendige Geldstrom. So war es auch im September 2008, nachdem die US-Investmentbank Lehman Brothers zusammengebrochen war und damit die Finanzkrise ihren Höhepunkt erreichte. Nur das staatliche Eingreifen hielt das weltweite Finanzsystem am Laufen. Die Pleite von MF Global hat das Geschehen an den Finanzmärkten bisher nicht wesentlich beeinträchtigt. Der Wertpapierhändler ist ungleich kleiner als die damals viertgrößte Investmentbank der Welt und weit weniger mit anderen Finanzfirmen verwoben. Dennoch wird bereits von MF Global als "Mini-Lehman" gesprochen. (APA)