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Wegen der befürchteten Kernspaltung wird nun Borsäure in den Reaktor 2 eingeleitet, um eine mögliche Kettenreaktion unter Kontrolle zu haben.

Foto: REUTERS/Kyodo

Tokio - Die Lage im beschädigten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi ist auch nach fast acht Monaten nicht unter Kontrolle. Nach Angaben der japanischen Atomaufsichtsbehörde und des Betreiberkonzerns Tepco vom Mittwoch wurden im Reaktor 2 Gase gefunden, die bei einer Kernspaltung freigesetzt werden. Dies deutet darauf hin, dass ein Teil der geschmolzenen Brennstäbe noch aktiv sein könnte.

Sollte es zu einer Kernreaktion gekommen sein, dürfte dies jedoch laut der Atomaufsicht nur vorübergehend und örtlich begrenzt passiert sein. Die Behörde glaubt nicht, dass dabei genug Energie freigesetzt wurde, um die Temperatur und den Druck im Reaktor ansteigen zu lassen. Die ersten Befunde zeigen aber, dass die stabil geglaubte Lage im AKW doch fragiler sein könnte als angenommen.

Borsäure

Tepco leitete am Mittwoch Borsäure in den Reaktor, um eine mögliche Kettenreaktion unter Kontrolle zu haben, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo. Experten gehen davon aus, dass es im März in dem Reaktor wie auch in den beiden Nachbarreaktoren 1 und 3 zu Kernschmelzen gekommen war, als das Kühlsystem in Folge des schweren Erdbebens und Tsunami ausgefallen war. Die Folge sind beträchtliche Schäden an den Reaktoren, einschließlich der Reaktorgehäuse.

Die unlängst deutlich gesunkene Temperatur und der Druck im Reaktor 2 hätten sich seit der Entdeckung der Gase nicht verändert, hieß es am Mittwoch bei Tepco. Die Lage sei stabil. Der Betreiberkonzern hatte bei einer Überprüfung der Radioaktivität im Reaktorgehäuse zwei Gase festgestellt, Xenon-133 und Xenon-135. Beide haben nur eine kurze Halbwertzeit von fünf Tagen beziehungsweise neun Stunden. Ihre Existenz deutet laut dem Betreiberkonzern darauf hin, dass kürzlich eine Kernspaltung stattgefunden hat. Das bedeutet jedoch nicht, dass auch eine weitere Kernschmelze eingesetzt hat.

Tepco spielt herunter

Der Befund könnte dennoch laut japanischen Medien die Planung der Regierung und von Tepco durchkreuzen, die Reaktoren in dem AKW bis Ende des Jahres sicher unter Kontrolle zu bringen; Experten sprechen dabei von einem "cold shutdown". Tepco selbst versuchte den Vorfall herunterzuspielen: Man gehe nicht davon aus, dass es zu einer Änderung im Zeitplan kommt, wurde Tepco-Sprecher Junichi Matsumoto zitiert. Die Atomaufsichtsbehörde wurde um weitere Analysen gebeten. Derweil setzt Tepco weiter Wasser ein, um den Reaktor zu kühlen. Die Atomaufsichtsbehörde schätzt die Situation insgesamt als stabil ein.

Die Vorgänge in der Atomruine Fukushima Daiichi erfolgen just zu einem Zeitpunkt, da Japan erstmals seit Beginn der Atomkatastrophe wieder einen heruntergefahrenen Reaktor im Land in Betrieb nimmt. Der Betreiberkonzern Kyushu Electric auf der südlichen Hauptinsel Kyushu teilte mit, dass der Reaktor Genkai Nummer 4, der nach einer Panne Anfang Oktober automatisch heruntergefahren worden war, seit Mittwochnachmittag (Ortszeit) wieder Strom produziert. Sollte alles glatt laufen, dürfte der Reaktor in der Provinz Saga bis Freitag wieder voll in Betrieb sein. Er soll im Dezember zu routinemäßigen Untersuchungen erneut heruntergefahren werden. Die Regierung versicherte, dass er einem "rigorosen" Stresstest unterzogen werde.

Ungeachtet der Atomkatastrophe in Fukushima erwartet die Internationale Atomenergieagentur IAEA, dass die Zahl der Kernkraftwerke in den nächsten Jahrzehnten stetig zunimmt. Einige Länder hätten ihre Pläne nach dem Unglück in Fukushima aber geändert, andere die Sicherheit ihrer Anlagen verstärkt, sagte IAEA-Direktor Yukiya Amano am Dienstagabend in New York. (APA)