22 Jahre ist Ma Nuo jung und sagt kess, wie sie sich einen idealen Partner vorstellt. Er müsse vor allem Geld haben. Ob sie glücklich mit ihm wird, sei ihr egal: "Ich sitze lieber heulend im BMW, als lachend Fahrrad zu fahren." Die hübsche Chinesin gehört einer Jury von 24 Single-Frauen an, die bei Chinas populärster Datingshow Wenn du der Richtige bist männliche Bewerber auf Herz und Nieren prüfen. Ma Nuos schnippisches "Ich bin nur auf Geld scharf" löste eine Debatte im Internet aus. Chinas Zensoren von der Staatsbehörde für Radio, Film und Fernsehen" (Sarft) kritisierten die Show des Senders Jiangsu als "vulgär und rüde materialistisch".

"Sozialistische Kernwerte"

Doch das war nur der Auftakt. Vergangene Woche nahmen die Tugendwächter von Sarft die gesamte TV-Unterhaltung unter Vormundschaft. 34 Kabelprogramme müssen bis zum 1. Jänner 2012 die "exzessive Verbreitung geschmackloser und moralisch tiefstehender Unterhaltungssendungen" stoppen. Die meisten Dating-, Talent- oder Realityshows sollen aus der Hauptsendezeit verschwinden. Es dürfen nur mehr halb so viele Unterhaltungsshows gezeigt werden wie bisher. Mit Ersatzprogrammen sollen die Kabelsender "sozialistische Kernwerte" und "traditionelle Tugenden" verbreiten und mindestens zwei Stunden Nachrichten pro Tag senden. Die Sarft soll in der Provinz die Durchsetzung der Vorschriften überwachen. Für Radio oder Fernsehen sind Publikumsbewertungen der Showsendungen nicht erlaubt.

Die Einführung des sozialistischen Wertekatalogs in die TV-Unterhaltung ist der erste Akt einer neuen Kulturoffensive. Der Kulturbereich erscheint Peking nach innen zu pluralistisch, zu wenig "patriotisch und sozialistisch" , und er spült zu wenig Geld in die Kassen. Nach außen will die Partei den Aufstieg Chinas zur Weltmacht durch die "soft power" der Kultur unterstützen und Ängste und Misstrauen abfedern. Unter dem Titel "Chinas Weg zur Kulturgroßmacht" beklagt die Volkszeitung, dass sich das Land zehn Jahre nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) auf allen Feldern durchsetzen konnte - bis auf die Kultur.

Den Startschuss zur neuen Kampagne gab ein Beschluss, den die Partei auf ihrem Plenum am 18. Oktober fasste. Es setzt sich als Ziel, die Volksrepublik bis 2020 in eine "sozialistische Kulturgroßmacht" zu verwandeln, die im globalen Konzert künftig den Ton mit angeben kann. Die Mobilisierung des Patriotismus ist dabei eine entscheidende Triebkraft. Zugleich ist das Kulturprogramm ein willkommener Hebel für Chinas Parteiführung, knapp ein Jahr vor dem 18. Wahlparteitag Ende 2012 die Kontrolle über die Gesellschaft zu verstärken. Liberal denkende KP-Funktionäre warnen hinter vorgehaltener Hand vor einem "linken Rollback" im Zuge der zu erwartenden innerparteilichen Machtkämpfe. Tatsächlich geht es auch um das Internet. Die Nachrichtenagentur Xinhua verriet, dass beim größten Mikroblog-Portal Sina.com inzwischen 15 Zensoren arbeiten. "Geplant ist, das Team zu vergrößern, um gegen Online-Gerüchte vorzugehen." Xinhua zitiert auch den Politikforscher Liu Deliang, der sich für die Einrichtung einer institutionellen Vorzensur bei allen chinesischen Portalen ausspricht.

"Kulturelle Souveränität"

Ideologiezar Li Changchun forderte auf einer Versammlung des chinesischen Journalistenverbands, dass Journalisten überzeugte Vertreter des sozialistischen Wertesystems sein und die "kulturelle Souveränität" des Landes verteidigen sollten.

Nach außen setzt die KP auf die Hilfe von 45 Millionen Auslands-chinesen. Milliarden sollen in den Ausbau der 360 Konfuzius-Institute in 150 Ländern, in Imagekampagnen wie die Großwerbung auf dem New Yorker Times Square oder in die "Go Global-Expansion der Medien fließen. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2011)