Dass ein Staatsgast von den Gastgebern nicht, symbolisch, an den Ohren genommen wird, gehört zum internationalen Höflichkeitskodex. Aber für die eingesprungenen Sitzpirouetten, die Österreichs Republikspitzen beim Thema Menschenrechte vor dem chinesischen Staatschef Hu Jintao hinlegten, verdienen sie Haltungsnoten am untersten Ende der Skala.

Der Bundespräsident spricht von Österreichs Rechten und Pflichten als Mitglied des UN-Menschenrechtsrats, und es klingt beinahe nach "Wir müssen halt ...". Die Nationalratspräsidentin bittet Hu, "in einzelnen Fällen Menschlichkeit und Milde walten zu lassen" - aber sonst Repressionsbusiness as usual? Und der Bundeskanzler meint sinngemäß, es komme überhaupt nicht infrage, dass Europa als Gegenleistung für wirtschaftliches Entgegenkommen Chinas Abstriche bei seinem Demokratiemodell mache - als ob dies je zur Debatte gestanden wäre.

Zur gleichen Zeit prangert nicht irgendein westlicher Staat, sondern die Uno Pekings Repression gegenüber tibetischen Mönchen in der Provinz Sichuan an. Und der regimekritische Künstler Ai Weiwei erhält eine aberwitzige Geldstrafe auf Basis offenbar fabrizierter Steuerhinterziehungsvorwürfe. Aber gerade der Fall Ai Weiwei zeigt, dass deutlichere Worte von außen sehr wohl wirken: Dem unbequemen Geist den Prozess zu machen, wagen Pekings Machthaber ganz offensichtlich nicht. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2011)