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Der neue Regierungschef Abdul Rahim al-Kib (li.) mit dem Vorsitzenden des Nationalen Übergangsrats, Mustafa Abdul Jalil.

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Abdel Rahim el Kib.

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Der bisherige Chef des Übergangsrats Mahmud Jibril übergab die Agenden. Der UN-Sicherheitsrat forderte, dass alle Arsenale schnell gesichert werden, damit die Waffen nicht Terroristen in die Hände fallen.

Tripolis/Kairo – Der Nationale Übergangsrat (NTC) hat ein erstes Zeichen von Transparenz gesetzt. Die Wahl des neuen Chefs der Übergangsregierung wurde im Fernsehen übertragen. Das Rennen machte mit 26 von 51 Stimmen im ersten Durchgang der Wissenschafter Abdul Rahim al-Kib aus Tripolis. Al-Kib hatte sich gegen vier Mitbewerber durchgesetzt. Der Rat hatte zuvor auch den Weg für Kandidaten frei gemacht, die neben der libyschen noch eine andere Staatsbürgerschaft besitzen. Der bisherige Amtsinhaber Mahmud Jibril war nicht mehr angetreten.

Kompetenz setzt sich durch

Al-Kib, der 61-jährige Elektroingenieur und Energieexperte, ist in der Bevölkerung praktisch unbekannt. Er hat die Hauptstadt im NTC vertreten, aber bisher keine bedeutende politische Rolle gespielt. Er gilt als Mann der Mitte, das heißt, er hat weder ein Etikett als Liberaler noch als Islamist. "Das ist ein guter Neuanfang. Da haben sich Qualität und Kompetenz durchgesetzt" , meinte Professor Saleh al-Sanoussi von der Universität Bengasi im Gespräch mit dem Standard in Kairo.

In seiner ersten Pressekonferenz am Montagabend betonte al-Kib, er werde einen Staat aufbauen, in dem die Menschenrechte respektiert würden; stellte aber auch klar, dass das Zeit brauche und die Herausforderungen groß seien. Aber er habe großes Vertrauen in die Menschen, den NTC und die Tatsache, dass Libyen über große Ressourcen verfüge.

Er zollte den Revolutionären Respekt, die das Land von 42 Jahren Gaddafi-Diktatur befreit haben, und kündigte an, dass die Auflösung der bewaffneten Milizen mit Bedacht erfolgen würde. Der Premier der neuen Übergangsregierung will in zwei Wochen sein Kabinett präsentieren. Mustafa Abdul Jalil, der Vorsitzende des NTC, erklärte, al-Kib genieße eine breite Unterstützung, die es ihm ermöglichen werde, große Hürden zu nehmen, um die Schlüsselressorts Öl, Verteidigung, Finanzen und Inneres zu besetzen.

Die Übergangsregierung muss vor allem Wahlen für eine Nationalkonferenz innerhalb von acht Monaten vorbereiten, die dann eine Verfassung ausarbeitet. Kurzfristig ist eine der drängendsten Aufgaben die Sicherung der großen Arsenale an schweren und sogar chemischen Waffen. Der UN-Sicherheitsrat hat in einer einstimmig angenommenen Resolution Libyen dringend aufgefordert, diese Waffenlager besser zu kontrollieren, um zu verhindern, dass sie Terroristen in die Hände fallen könnten. Um den Schmuggel von Raketen zu unterbinden, sollen die Grenzkontrollen verstärkt und die Transportwege besser überwacht werden. Die Resolution verpflichtet den NTC auch, die Chemiewaffen in Absprache mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Den Haag zu vernichten.

Chemiewaffenkontrolle

Für eine angemessene Kontrolle der Senfgasbestände fehlt es allerdings nach Einschätzung der Verantwortlichen an der richtigen Ausrüstung und an Geld. "Die modernste Ausrüstung, die wir besitzen, stammt aus dem Jahr 1980" , sagte der Offizier Yussef Safi al-Din, der bereits unter Gaddafi für dessen Chemiewaffen zuständig war. "Uns fehlt es an allem."

Am Montag wurde die Existenz zweier bisher geheimer Chemiewaffenlager Gaddafis bekannt. In beiden Lagern befand sich laut Safi al-Din verwendungsfähiges Senfgas, in einem Fall sei es bereits in Waffen zum Einsatz bereitgestanden. Senfgas verursacht schwere Verbrennungen. (Astrid Frefel/DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2011)