Paris/Ramallah/Tel Aviv - Die Generalkonferenz der Erziehungs-, Wissenschafts- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen (UNESCO) hat am Montag in Paris Palästina als Vollmitglied aufgenommen. Der Beschluss wurde gegen den Widerstand der USA, Israels und Deutschlands mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit der bisher 193 Mitgliedsländer gefasst. Frankreich, das sich im UNESCO-Exekutivrat noch der Stimme enthalten hatte, votierte für den Antrag.

USA: "Verfrüht und kontraproduktiv"

Die US-Delegation kritisierte den Beschluss der Generalkonferenz als "verfrüht und kontraproduktiv". Die USA haben mit einem neuerlichen Stopp ihrer Beitragszahlungen an die UNO-Kulturorganisation gedroht. Dabei geht es um mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr - 22 Prozent des Budgets der UNESCO. Der israelische Vertreter Nimrod Barkan hatte vor der Abstimmung erklärt, seine Regierung rechne damit, dass Palästina in die UNESCO aufgenommen werde. Er kündigte an, die israelische Regierung werde wahrscheinlich dem US-Beispiel folgen. Derzeit mache der israelische Beitrag rund drei Prozent des UNESCO-Etats aus. Bei einem Stopp der Zuwendungen aus den USA und Israel würde die Organisation "ein Viertel ihrer Mittel" verlieren, betonte Barkan. "Dann wird sie ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können."

UNESCO-Chefin: Werden Programme kürzen müssen

Die Generaldirektorin der UNESCO, Irina Bokova (Bulgarien), hat eingeräumt, dass ein Stopp der US-amerikanischen Beitragszahlungen wegen der Aufnahme Palästinas als Vollmitglied die Mission der UNO-Sonderorganisation beeinträchtigen werde. "Wir werden Programme kürzen müssen", sagte Bokova am Montag der Nachrichtenagentur AFP in Paris. Für die UNESCO gehe es aber nicht nur um ein finanzielles Problem, sondern auch um die Frage der "Universalität" der Organisation.

"Einseitiges Manöver"

Israel will die Zusammenarbeit mit der Erziehungs-, Wissenschafts- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen (UNESCO) nach der am Montag beschlossenen Aufnahme Palästinas als Vollmitglied überdenken. "Israel will weitere Schritte hinsichtlich der Kooperation mit der Organisation erwägen", teilte Außenamtssprecher Yigal Palmor am Montag in Jerusalem mit.

Israel lehne die - mit Zweidrittelmehrheit herbeigeführte - Entscheidung der UNESCO, für die auch EU-Mitglieder wie Frankreich und Österreich gestimmt haben, ab. "Dies ist ein einseitiges palästinensisches Manöver, das keine Veränderung vor Ort bringen wird, aber die Möglichkeit einer Friedensvereinbarung in weitere Ferne rücken lässt", hieß es in der Mitteilung Palmors.

Fortschritte im Nahen Osten könnten nur durch direkte Verhandlungen der beiden Konfliktseiten erzielt werden, sagte Palmor. Der Vorstoß der Palästinenser bei der UNESCO sowie anderen UNO-Organisationen sei gleichbedeutend mit "einer Ablehnung der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, den Friedensprozess voranzubringen". Es sei enttäuschend, dass es der Europäischen Union nicht gelungen sei, die UNESCO-Entscheidung zu verhindern.

Blockade gescheitert

In den vergangenen Tagen hatten Vertreter der USA und mehrerer europäischer Staaten vergeblich versucht, die Abstimmung zu verhindern. Trotz des Drucks lehnten es die Palästinenser ab, ihren Antrag zurückzuziehen. Präsident Mahmoud Abbas betonte noch am Donnerstag, für einen Verzicht gebe es "keinerlei Rechtfertigung." Der UNESCO-Exekutivrat hatte mit großer Mehrheit dafür gestimmt, den Aufnahmeantrag Palästinas der Generalkonferenz vorzulegen. Nur vier von 58 Exekutivrats-Mitgliedern - USA, Deutschland, Lettland und Rumänien - hatten gegen den palästinensischen Vorstoß votiert. 14 Staaten, darunter Frankreich, enthielten sich der Stimme. Österreich gehört dem Exekutivrat nicht an. Der palästinensische Außenminister Riad al-Malki hatte von "enormem Druck" der USA auf verschiedene Mitgliedsländer gesprochen.

Die palästinensische Führung hat im September beim UNO-Sicherheitsrat in New York einen Antrag auf Vollmitgliedschaft eingereicht. Darüber soll am 11. November entschieden werden. Die USA wollen von ihrem Vetorecht Gebrauch machen, um den Antrag zu Fall zu bringen. Bisher haben acht der 15 Mitglieder ihre Unterstützung für Palästina bekundet: Die Vetomächte Russland und China, sowie Indien, Brasilien, Libanon, Südafrika, Nigeria und Gabun.

Österreich stimmte für UNESCO-Mitgliedschaft Palästinas

Österreich hat für die Aufnahme Palästinas in die UNESCO gestimmt. Das bestätigte der Sprecher von Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP), Alexander Schallenberg, auf Anfrage. Man habe es "sehr bedauert, dass es nicht zu einer gemeinsamen EU-Haltung gekommen ist", sagte der Sprecher mit Blickrichtung auf das uneinheitliche Stimmverhalten der 27 Mitgliedstaaten.

Österreich zählte zu jenen elf EU-Staaten, die auf der UNESCO-Generalkonferenz am Montag in Paris für eine Aufnahme Palästinas als Vollmitglied votierten. Fünf Mitgliedsländer hätten dagegen gestimmt, die restlichen enthielten sich entsprechend einer Empfehlung von EU-Außenkommissarin Catherine Ashton der Stimme.

Schallenberg betonte, dass Österreich noch bis zuletzt bereit gewesen wäre, Ashtons Empfehlung zu folgen. Da aber keine gemeinsame EU-Linie möglich gewesen sei, habe man entsprechend der nationalen Position abgestimmt. Auf die Frage, ob das UNESCO-Votum auch Rückschlüsse auf das Stimmverhalten Österreichs zum UNO-Mitgliedsantrag Palästinas zulassen könnte, antwortete der Ministersprecher: "Unser Wunsch wäre, dass das ein einmaliges Ereignis bleibt." Man hoffe nämlich weiterhin auf eine gemeinsame EU-Position bei dem anstehenden Votum in der UNO-Generalversammlung.

Ashrawi: "Triumph gegen Einschüchterung"

Die palästinensische Politikerin und ehemalige Bildungsministerin Hanan Ashrawi hat die Aufnahme Palästinas begeistert begrüßt. "Wir sind sehr aufgeregt und glücklich", sagte Ashrawi der Deutschen Presse-Agentur am Montag. "Dies ist ein sehr wichtiger Sieg und ein Triumph des menschlichen Geistes gegenüber Einschüchterung und Zwang." Nur 14 der 193 UNESCO-Mitgliedsländer hatten in Paris gegen eine Aufnahme Palästinas votiert.

"Dies ist eine klare Botschaft, dass es eine deutliche Mehrheit auf der Welt gibt, die die Palästinenser nicht zum Opfer machen und sie nicht aus der Völkergemeinschaft ausschließen will", sagte Ashrawi. "Die Minderheit, die dagegen gestimmt hat, vor allem die USA, wird sich isoliert auf der falschen Seite der Gerechtigkeit wiederfinden." Die palästinensische Parlamentsabgeordnete und Ex-Bildungsministerin leitet zusammen mit Premierminister Salam Fayyad die von ihnen gegründete Kleinpartei "Dritter Weg".

Ashrawi war von Präsident Mahmoud Abbas als Sonderbeauftragte in die USA entsandt worden, um die Regierung von Präsident Barack Obama zu ersuchen, auf ein Veto im UNO-Sicherheitsrat gegen die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied in die Vereinten Nationen zu verzichten.

Der Abbas-Berater Sabri Saidan sprach von einem "Tag des Jubels". Die Entscheidung sei eine weitere "politische Säule" im Kampf um palästinensische Selbstbestimmung. "Wir sind näher an der Unabhängigkeit als je zuvor", sagte Saidan. "Dies ist eine wichtige Botschafter an jene, die gegen den palästinensischen Vorstoß beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sind." (APA)