Paris - Die UNESCO wird diesen Montag über die Aufnahme der Palästinenser abstimmen - und könnte damit in eine Existenzkrise stürzen. Sollte Palästina als Vollmitglied der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur akzeptiert werden, könnten die USA den Geldhahn zudrehen und austreten. Das wäre eine Katastrophe für die UNESCO mit mehr als 2000 Mitarbeitern, die ihren größten Beitragszahler verlieren würde.

Die UN-Organisation würde jährlich rund 70 Millionen Dollar (rund 50,3 Millionen Euro) einbüßen. Washington steuert 22 Prozent des laufenden Zwei-Jahre-Haushalts von 653 Millionen US-Dollar bei und ist damit der mit Abstand größte Geldgeber vor Japan und Deutschland.  Die UNESCO-Vollversammlung tagt bis zum 10. November in Paris mit Delegationen der 193 Mitgliedsländer, die über das Programm, den Haushalt sowie neue Mitglieder entscheidet. Bekannt ist die Organisation vor allem für das Welterbe-Programm und die Bildungsförderung.

Palästinenser bestehen auf Aufnahme

Nach jahrzehntelangem Warten bestehen die Palästinenser nun auf eine Aufnahme. Man werde kein anderes Ergebnis als die Vollmitgliedschaft akzeptieren, sagte Palästinenser-Außenminister Riad Malki am Freitag vor seiner Abreise nach Paris. Die erste Runde in diesem Kräftemessen haben die Palästinenser bereits gewonnen.

Keine Veto-Regelung

Der UNESCO-Exekutivrat, das zweitwichtigste Gremium der Organisation, hat sich bereits - gegen die Stimmen Deutschlands und der USA - mit großer Mehrheit für eine Aufnahme der Palästinenser ausgesprochen. Geht ein Antrag in diesem Gremium durch, wird er meist auch in der Generalversammlung angenommen. Eine Veto-Reglung wie im UN-Sicherheitsrat gibt es dort nicht. Diplomaten zufolge ist damit zu rechnen, dass der Aufnahmeantrag die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erhält.

Warnung aus Washington

Die Warnungen aus Washington waren unmissverständlich. Den USA sei es gesetzlich nicht erlaubt, Organisationen zu finanzieren, die die Palästinenser als Mitglieder akzeptierten, sagte kürzlich US-Außenministerin Hillary Clinton. Ob die klaren Worte etwas an dem Abstimmungsverhalten in der UNESCO-Generalkonferenz ändern, steht allerdings in den Sternen.

Noch keine Entscheidung im Sicherheitsrat

Ein Sprecher des französischen Außenministeriums verwies darauf, dass derzeit auch im UN-Sicherheitsrat ein Antrag auf Aufnahme Palästinas - und damit Anerkennung als Staat - geprüft wird. Solange dieses Verfahren nicht abgeschlossen sei, sei eine Aufnahme in die UN-Teilorganisation verfrüht.

Die USA befürchten nicht zuletzt, dass die Palästinenser nach einem Erfolg bei der UNESCO ihre Bemühungen nach Anerkennung anderweitig fortsetzen könnten - etwa bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Welthandelsorganisation (WTO). Entsprechende Vorstöße seien geplant, bestätigte Imad Zahairi, ein palästinensischer Diplomat in Genf, der Nachrichtenagentur AFP. "Wir werden nicht zögern, uns an alle internationalen Organisationen zu wenden."

Mit Hochdruck wird derzeit an einer Lösung für das heikle Problem gearbeitet. Solange es keine neuen Friedensverhandlungen mit Israel und keine Entscheidung über die UN-Mitgliedschaft der Palästinenser gebe, könne das Aufnahmeverfahren nur schaden, argumentieren die Aufnahmegegner. Aufgeschoben sei nicht aufgehoben. Palästina habe schon viel zu lange gewartet, sagen dagegen die Befürworter.

USA schon einmal ausgetreten

Die USA sind allerdings schon einmal aus der UNESCO ausgetreten. Damals, 1984, begründeten sie ihren Schritt mit einer angeblich anti-westlichen Politisierung und ineffizientem Management der Organisation. Erst 2003 kehrten die USA zurück. Jetzt besteht die Furcht, dass es eine zweite Rückkehr nicht geben würde.

Über den Antrag auf Anerkennung eines Palästinenserstaates durch die UNO könnte der UN-Sicherheitsrat am 11. November entscheiden. Ein Scheitern dieses Ansinnens gilt jedoch als sicher, weil die USA bereits ihr Veto in dem Gremium angekündigt haben. (APA/dpa/AFP)