Aus dem Archiv: Ein Abtreibungsgegner vor dem Ambulatorium am Wiener Fleischmarkt. Inzwischen wurden in Wien Schutzzonen vor Abtreibungskliniken eingerichtet.

Foto: Matthias Cremer

Graz - Der Schuldspruch wegen Stalkings gegen vier AbtreibungsgegnerInnen, die heuer im April in Graz verurteilt wurden, bleibt aufrecht. Das Oberlandesgericht (OLG) bestätigte am Dienstagnachmittag die Entscheidung des Erstgerichts, setzte allerdings die Geldstrafen geringfügig herunter. Die Angeklagten hatten monatelang vor der Praxis eines Grazer Gynäkologen demonstriert. "Politische Aktionen sind zulässig, aber nicht eine Hexenjagd auf einzelne", so Richterin Carolin List.

Angeklagt waren ein 59-jähriger pensionierter Lehrer, ein 41-jähriger Student sowie zwei Frauen im Alter von 31 und 41 Jahren, die zwei Organisationen angehören, die gegen Schwangerschaftsabbruch eintreten. Sie hatten sich rund ein Jahr lang immer wieder beim Eingang zur Praxis des Gynäkologen aufgehalten. Dabei verteilten sie an Frauen Plastikembryos und Rosenkränze, um sie von einem Schwangerschaftsabbruch abzubringen. Als die sogenannten "LebensschützerInnen" eine Wohnung über der Arztpraxis gekauft hatten, sei ihm "mulmig geworden", so der Mediziner damals. Auch Patientinnen hätten sich von den DemonstrantInnen belästigt gefühlt.

Rechtskräftiges Urteil

Der Verteidiger sprach von einer "wirtschaftlichen Konkurrenz", die zwischen Arzt und AbtreibungsgegnerInnen geherrscht habe, von Stalking könne keine Rede sein. Oberstaatsanwalt Reinhard Kloibhofer erwiderte, die Tätigkeit des Arztes und des Vereins, dem die Beschuldigten angehören, lasse sich in keiner Weise vergleichen. "Das hat mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nichts zu tun", so der Oberstaatsanwalt. Die vier Angeklagten hätten auf das Leben des Arztes "massiv Einfluss genommen". Wegen der "atypisch langen Verfahrensdauer" sprach sich Kloibhofer allerdings für eine geringfügige Reduzierung der Geldstrafe aus.

Der Richtersenat war der gleichen Meinung und setzte die unbedingten Geldstrafen auf 350 bis 6.400 Euro (vorher: 400 bis 7.200 Euro) herunter. Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel mehr, das Urteil ist nun rechtskräftig.

Präzedenzfall

Dieses Urteil stellt einen Präzedenzfall dar, denn unter beharrlicher Verfolgung in Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen hat es bisher keine Verurteilungen gegeben. Zwangsmaßnahmen nach dem Sicherheitspolizeigesetz wie Betretungsverbot und Wegweisung sind in Wien, nicht aber in Graz möglich.

"Meilenstein für die Selbstbestimmung der Frau"

Der Leiter des gynmed-Ambulatoriums in Wien, Christian Fiala, bekundet via Aussendung seine Freude über das Urteil. "Es ist ein richtungsweisendes Urteil und ein Meilenstein für die Selbstbestimmung der Frau", so der Gynäkologe. Zudem fordert er weitreichende Konsequenzen nach diesem Urteil: In Österreich müsse es bundesweit einheitliche Schutzzonen nach französischem Vorbild geben, "damit diese Missstände, die im ganzen Bundesgebiet grassieren, endlich unterbunden werden". (APA/red)