Ein Spechtfink beim Intelligenztest auf der Wippe. Obwohl er Werkzeuge verwendet, scheiterte er an einfachsten Übungen.

Foto: Erica Cartmill

Die Intelligenz von bestimmten Vogelarten wurde von der Wissenschaft lange unterschätzt. Mittlerweile erscheinen fast wöchentlich neue Studien, die von besonderen Fähigkeiten der gefiederten Freunde berichten. Einer besonderen Intelligenzfrage ging Sabine Tebbich vom Department für Kognitionsbiologie der Uni Wien gemeinsam mit ihrer Doktorandin Irmgard Teschke nach: Sie untersuchten im Rahmen eines FWF-Projektes, inwieweit die geistigen Fähigkeiten von Darwin-Finken mit Werkzeuggebrauch zu tun haben. 

Dafür unterzogen sie zwei Finkenarten diversen Versuchen, die einerseits ihre allgemeine, andererseits ihre "praktische" Intelligenz testen sollten. Die Teilnehmer des Wettbewerbs waren eine Spechtfinken-Art (Cactospiza pallida), die regelmäßig kleine Zweige oder Kaktusstacheln verwendet, um Insekten aus Baumrinden zu holen, und eine nah verwandte kleine Baumfinken-Art (Camarhynchus parvulus), die nie Werkzeuge benutzt.

Die allgemeine Intelligenz der Tiere testeten Tebbich und Teschke mit einem Wahlexperiment, bei dem die Vögel lernten, von zwei Behältern mit unterschiedlich gefärbten Deckeln denjenigen zu wählen, der einen Leckerbissen enthielt. Diese Aufgabe bewältigten alle Vögel prinzipiell, aber die Trefferquote der Baumfinken war höher. Schwieriger wurde es bei einem Test, bei dem das Leckerli auf einer waagrecht stehenden Wippe präsentiert wurde. Um es zu bekommen, musste sich der Vogel auf eine von zwei Stangen setzen, um die Wippe zu kippen. Auch hier hatten die Baumfinken wesentlich mehr Erfolg.

Dann wurden den Vögeln zwei Haken präsentiert; bei einem war das Futter so platziert, dass es der Vogel mit dem Haken zu sich ziehen konnte. Obwohl diese Versuchsanordnung sehr nah am Werkzeuggebrauch der Spechtfinken liegt, irrten sich die Baumfinken auch hier seltener. Wenn die Lage und Länge der Haken jedoch variiert wurde, schnitten alle Vögel gleich schlecht ab - ein Beweis, dass sie das ursprüngliche Problem nur durch Versuch und Irrtum gelöst hatten. Lediglich bei einer Aufgabe, bei der es galt, eine Plastikschachtel zu öffnen, schnitten die Spechtfinken besser ab, weil sie sich nicht so leicht entmutigen ließen.

Tebbichs nüchternes Resümee der Studie, die im Fachblatt "Animal Behaviour" erschien: "Auch komplex anmutender Werkzeuggebrauch geht nicht notwendigerweise mit erhöhten kognitiven Fähigkeiten einher." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26. Oktober 2011)