Hula-Hoop-Tanz im Gustinus-Ambrosi-Museum: "Was ausgestellt wird" von Nathalie Koger.

Foto: Viennale

Ein Fenster, ein nackter Rücken, ein Finger auf der Haut; dahinter das Dunkel des Raums, dazwischen das Licht, das durchs Fenster fällt: Mit diesen einfachen Dingen fängt das Filmemachen in Viki Kühns dreiminütigem Prelude (wieder) an. Ein Vorspiel zu einem sich ständig erneuernden, ursprünglichen Medium, das sich auch hier wieder einmal als ein erotisch aufgeladenes zeigt - als ein Medium, das auf Berührung beruht. Berührung des Filmmaterials durch das Licht, Berührungen zwischen Dingen und Körpern, Berührung der imaginären Membranen, die das Reale von den Vorstellungen, Wünschen, Träumen trennt.

Wie fast alle Filme in dem Kurzfilmprogramm Leuchtende Filmkader ist auch Prelude stumm, auch hier noch einmal also ein Status Nascendi, ein wiedergefundener Ursprungsmoment, wie er in der von der Fotografin Friedl von Kubelka ins Leben gerufenen Schule für unabhängigen Film wohl nicht im eigentlichen Sinn gelehrt, sondern erfahrbar gemacht wird. Der Verzicht auf den Ton ist dabei ein Gewinn an Sinnlichkeit, der in Paul von Julia Dossi geradezu körperliche Qualität bekommt: Sie filmt einen jungen Mann im Morgenmantel, der nachdrücklich auf die Kamera einredet, zu hören ist aber nur das Rattern der Mechanik der Gerätschaften. Der Dialog des (mutmaßlichen) Liebespaars nach der Nacht bleibt unhörbar. Vielleicht ist es aber auch ein Streit, der sich da entspinnt, denn Paul ist in dem, was er sagt, engagiert, bestimmt.

Eine Schule für unabhängigen Film hat in einer mit digitalen Medien gesättigten Welt eine andere Funktion als zu der Zeit, als zum Beispiel in den USA die großen Ahnherrn dieser Schule wie Stan Brakhage gegen das kommerzielle Kino antraten. Heute geht es eher darum, verlorengehende Potenziale wiederzuentdecken, auch ganz persönlich in einer Rekapitulation wie homesitter von Christian Kurz, in dem alles mit dem Blick aus dem Fenster beginnt. Die Aufnahmen, die jeweils eine Passage durch das Bild zeigen (eine Frau mit Kinderwagen, eine U-Bahn), erinnern an die ersten Filmrollen, die im späten 19. Jahrhundert aus aller Welt zurückgebracht wurden. Film war damals auch ein Expeditionsmedium, das er jetzt wieder sein könnte.

Konzeptueller Riss

Manfred Schwaba ist mit Ich tippe mir mich einer der wenigen in dem Programm Leuchtende Filmkader, der mit Ton arbeitet. Und er nützt diese zweite Ebene durchaus programmatisch für eine Dekonstruktion der im geläufigen Kino elementaren Synchronität von Bild und Ton. Bei ihm ist aber schon im Bild ein konzeptueller Riss, denn das Tippen bezieht sich hier auf Typografie und Maschinenschrift, aus der sich kaderweise (vielleicht) eine sinnvolle linguistische Einheit ergibt, die aber vom Gerede auf der Tonspur mindestens infrage gestellt wird. Ich tippe mir mich schließt, wiederum im Gestus einer informierten Naivität, an viele Kunstfilme an, die mit Schrift und Lautung arbeiten, geht also deutlich weiter in eine konzeptuelle Richtung als viele andere Beiträge im Programm.

Eine Entsprechung findet sich am ehesten in Achtung/Hallo 35 von Viktoria Schmid, in dem das Ausgangsmaterial wie bei Christian Kurz eigentlich geläufige Bilder sind (Wien-Motive), die dann aber mit dem klassischen Analogmittel der Kontaktkopie in einen anderen Zustand versetzt werden. Und der Ton ist hier keiner der Welt, sondern einer des Mediums - er entspricht der Bildinformation auf dem Kader, ist also eine Art Lautdiagramm des Visuellen. Auch das kann Film, wie hier zu lernen ist. (Bert Rebhandl, DER STANDARD - Printausgabe, 25./26. Oktober 2011)