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Helige ist auch Präsidentin der Österreichischen Liga für Menschenrecht.

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Wien - Barbara Helige, Präsidentin der Österreichischen Liga für Menschenrechte und Ex-Präsidentin der Richtervereinigung, wird Leiterin der Aufklärungskommission "Schloss Wilhelminenberg", die sich derzeit in Gründung befindet. Das wurde am Freitag verlautbart. Helige soll die Missbrauchsfälle im früheren Wiener Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg federführend aufarbeiten.

Helige, erklärte, dass sie "gerne bis Ende November" die konstituierende Sitzung ansetzen wolle. Dann solle das Arbeitsprogramm erarbeitet werden. Die restlichen Kommissionsmitglieder stehen derzeit noch nicht fest. Einen konkreten Zeitplan, bis wann Ergebnisse vorliegen sollen, wollte sie heute nicht nennen: "Das wäre unseriös."

Hat es Kontrollen gegeben?

Helige geht davon aus, dass sich die Kommission bei ihrer Arbeit auf das Schloss Wilhelminenberg konzentriert: "Was mir sinnvoll erscheint." Das Gremium soll jene schweren Missbrauchsvorwürfe untersuchen, die in den vergangenen Tagen publik gemacht wurden. Es gelte zu schauen, was passiert sei, betonte die Neo-Vorsitzende. Weitere Fragestellungen lauten zum Beispiel: Hat es Kontrollen gegeben? Haben die Leute weggeschaut? Wer hat wann was gemacht? Wie hat die Politik reagiert?

Es dürfe überhaupt nichts tabu sein, betonte Helige: "Wir wollen der Sache auf den Grund gehen und wir wollen die Verantwortlichen finden." Es solle ein "Gesamtbild" geschaffen werden. Die Kommission werde den gesamten Zeitraum, "der infrage kommt", untersuchen, kündigte sie außerdem an.

Andere Aufgabe als Staatsanwaltschaft

Noch "nachdenken" müsse Helige über die genaue Arbeitsweise des Gremiums. Man werde mit jeder Art von Zeitzeugen sprechen. Ob auch mit Opfern gesprochen wird, ist noch offen. Weiters müssten die vorhandenen Akten aufgearbeitet werden. Die ehemalige Richterin will es aber "ganz bewusst" nicht auf das Strafrecht reduzieren: "Unsere Aufgabe ist eine andere als die der Staatsanwaltschaft." Es gehe zusätzlich darum, das ganze System zu untersuchen. Erkenntnisse über strafrechtliche Belange werden aber an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Helige betonte, dass es mehrere Voraussetzungen für ihre Mitarbeit gegeben habe: Die Kommission müsse unabhängig arbeiten können. "Das ist für mich von entscheidender Bedeutung", unterstrich sie. Überdies forderte sie auch freie Hand bei der Zusammensetzung des Gremiums. Die Juristin geht davon aus, dass die Kommission eine Größe von vier bis fünf Personen haben wird. Dabei werde es sich um "geeignete Experten" handeln. Sie verlangte außerdem die Möglichkeit, alle vorhandenen Daten und Dokumente einzusehen. Stadtrat Christian Oxonitsch (S) sicherte ihr am Freitag die volle Unterstützung der Stadt zu. Würde es dafür rechtlicher Grundlagen dafür bedürfen, so würden diese geschaffen werden.

Thema auch im Gemeinderat

In der Fragestunde im Gemeinderat betonte Oxonitsch einmal mehr, dass das Unrecht, dass die Betroffenen erlitten hätten, anzuerkennen sei und man die "Verantwortung für die erlebte Gewalt übernehmen" müsse. Oxonitsch erinnerte an das erst 1989 erfolgte Verbot der "Watsch'n" in Österreich. "Es hat einen Paradigmenwechsel gegeben in den letzten Jahrzehnten", unterstrich er. Das dürfe man nicht außer Acht lassen. Es sei der Gesellschaft mittlerweile klar, "dass Gewalt in der Erziehung nichts verloren hat".

Der Forderung der Opposition, dass alle Rathausparteien in der "Wilhelminenberg"-Kommission vertreten sein sollen, erteilte er eine Absage: Das Gremium solle unabhängig eines "Parteienstreites" arbeiten. Die vier im Rathaus vertretenen Parteien forderte er aber auf, in einem eigens einberufenen Gemeinderatsausschuss die Frage- und Aufgabestellungen für die Kommission zu diskutieren und zu formulieren.

Maßnahmen

Laut Oxonitsch haben sich bisher rund 500 Betroffene bei der Opferschutzkommission "Weißer Ring" gemeldet. Für die Hilfeleistungen wurden bisher insgesamt 5,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. "Wenn es notwendig wird, diese Mitteln aufzustocken, werden wir das tun", kündigte er an. Um die Geschichte der Heimerziehung aufzuarbeiten, setzte die Stadt außerdem eine Historikerkommission ein.

Den von der FPÖ vorgebrachten Vorwurf der Vertuschung wies der Stadtrat zurück. Die Stadt werde alles daran setzen, um die Vorwürfe und Geschehnisse so lückenlos wie möglich aufzuklären. Er wies auch darauf hin, dass man sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen legitimem öffentlichen Interesse und dem Respekt gegenüber der Opfer befinde.

Der Bericht der früheren SPÖ-Nationalratsabgeordneten Irmtraut Karlsson ("Verwaltete Kinder") sei nicht ignoriert worden, versicherte er. Die Notwendigkeit von Reformen sei von der damaligen Stadtregierung erkannt worden. Der Bericht wurde 1976 publiziert. 1977 wurde das Heim Wilhelminenberg geschlossen.

FPÖ fordert harte Strafen

Die Wiener FPÖ verlangte am Freitag erneut, die unmittelbar Verantwortlichen zu verfolgen. "Die Täter verdienen harte Strafen", betonte FP-Klubchef Johann Gudenus. Er schlug vor, zu prüfen, ob nicht Delikte wie Mord, Sklaverei oder sexueller Missbrauch anzuwenden seien. "Hier muss schonungslos ermittelt werden", forderte Gudenus die Staatsanwaltschaft auf. Und es sei auch sicherzustellen, so betonte er, dass künftig betreffende Taten nicht mehr verjähren.

ÖVP-Gemeinderat Wolfgang Ulm zeigte sich überzeugt, dass die Stadt eine Schuld treffe. Wobei er auf Aussagen der früheren SP-Nationalratsabgeordneten Irmtraut Karlsson verwies, die sich bereits in den 1970er Jahren den Zuständen in den Heimen gewidmet hat. Diese habe auf die Trägheit des Systems verwiesen: "Und dafür ist die Politik verantwortlich."

Grüne begrüßen Kommission

Birgit Hebein von den Grünen begrüßte die Einsetzung einer unabhängigen Kommission in Sachen Wilhelminenberg. Sie sprach sich jedoch gegen den FP-Vorschlag aus, Parteinvertreter in diese zu berufen. Stattdessen sollten unabhängige Experten die Untersuchung durchführen, so Hebein.

SP-Mandatar Heinz Vettermann bekräftigte, dass die Stadt für eine lückenlose Aufklärung sei. Den Vorwurf, dass man damalige Erkenntnisse ignoriert habe, bestritt er: "Es wurde natürlich reagiert." Ob man die Heimschließungen schneller hätte durchführen können, sei eine Frage, die man vielleicht heute anders beurteile, meinte er.

Disput Grün-Blau wegen "Jugendstraflager"

Am Rande der Debatte kam es zu einer kurzfristigen Meinungsverschiedenheit zwischen Grün und Blau. Die Grünen erwähnten, dass die FPÖ für "Jugendstraflager" bzw. sogenannte Boot-Camps eingetreten sei. Die FPÖ wies dies als "Unwahrheit" zurück. Tatsächlich hatte es 2008 eine Debatte um sogenannte Erziehungscamps für straffällig gewordene Jugendliche gegeben. Der entsprechende Vorschlag war damals allerdings von der ÖVP gekommen.

Die Grünen wiesen allerdings später noch daraufhin, dass der FPÖ-Abgeordnete Wolfgang Irschik im Protokoll vom 27.6. 2011 (10. Sitzung Gemeinderat) wie folgt zitiert wird: "Deshalb meine ich, für straffällig gewordene Jugendliche von, wie gesagt 14 bis 18 Jahren, sind durchaus sogenannte Strafcamps einzuführen, wo sie ein bisschen Disziplin und Ordnung lernen". (APA)