Matthias Lanzinger, der Schuh und die Karbon-Prothese seiner zweiten Karriere.

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Benni Raich will jetzt das absolute vertrauen wieder finden.

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Wien/Sölden - Im Gegensatz zu seiner Gefährtin Marlies Schild, die auf dem schwierigen Hang auf dem Rettenbachferner, auf dem sie sich 2008 schwer verletzte, verzichtet, wird Benjamin Raich beim traditionellen Riesenslalom in Sölden sein Comeback geben. "Ich bin körperlich fit und bereit", sagt der Pitztaler, der es in bisher elf Versuchen im Ötztal noch nie auf das Podest schaffte.

Dass es diesmal klappt, glaubt nicht einmal Raich. Schließlich passierte dem 33-Jährigen im Februar bei der WM in Garmisch-Partenkirchen die schwerste Verletzung seiner Karriere, ein Kreuzbandriss im linken Knie. Für Raich geht es darum, "das Vertrauen wiederzufinden". Und er freut sich darauf, "wieder Weltcup-Luft zu schnuppern." Raich und Kollegen schnuppern am Sonntag (9.45 und 12.45 Uhr), die Damen sind zu den selben Startzeiten am Samstag an der Reihe.

Raich konnte sich viele Träume erfüllen, er gewann Goldene bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften, kleine Weltcup-Kugeln und einmal die große.

Im Gegensatz zu Raich ist es bei Matthias Lanzinger, dem Junioren-Weltmeister, zunächst beim Traum geblieben. "Als Jugendlicher hatte ich eine Vision", erzählt der Salzburger. "Ich wollte im Spitzensport zur Weltspitze gehören, bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften Medaillen gewinnen. Diese Vision ist im März 2008 unterbrochen worden." Lanzinger stürzte beim Super-G in Kvitfjell schwer, erlitt einen offenen Unterschenkelbruch und Gefäßverletzungen. Am 4. März, zwei Tage nach dem Rennen, wurde ihm der linke Unterschenkel amputiert.

Notgedrungen erkannte er die Wichtigkeit des zweiten Lebens neben dem Spitzensport. Und er schaffte es, "mit beiden Beinen im neuen Leben zu stehen", dieses zu regeln. Auch mit der Hilfe des Österreichischen Skiverbandes und von Sponsoren, die freilich andere, die ein ähnliches Schicksal erleiden, nicht haben. Lanzinger steht vor dem Abschluss seines Studiums (Betriebswirtschaft und Sportmanagement), arbeitet im Marketing für Salomon, als Zeitungs-Kolumnist, für den ORF, heiratete, wurde Vater. Er freute sich über die Erfolge seiner ehemaligen Kollegen.

Freude und Leidenschaft

"Jetzt habe ich eine neue Vision", verkündigte der 30-Jährige am Dienstag in Wien, flankiert von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, Sportdirektor Hans Pum sowie Sponsor-Vertretern. "Ich will eine Medaille bei den Paralympics in Sotschi gewinnen. Im Training sind Freude und Leidenschaft gekommen." Pum, im ÖSV für alle Sparten und also auch für den Behindertensport zuständig: "Das ist eine Riesenchance für alle Beteiligten. So ein Comeback hat es noch nie gegeben."

Lanzinger erhält wohl mehr Unterstützung als seine neuen Kollegen. Doch noch ist die Qualifikation für die Paralympics 2014 nicht geschafft. "Ich habe meinen alten Schwung irgendwo im Kopf", sagt er. Doch der neue sei noch zu finden. Und er vergleicht seine Karbon-Prothese mit den Reifen eines Formel-1-Autos. "Es ist mein Verbindungsstück zum Schnee." Mitte November startet Lanzinger bei einem Slalom in der Skihalle von Landgraaf, Niederlande, um Punkte zu erwerben, die Voraussetzung für Starts im Europacup sind. "Das wird eine große Herausforderung für ihn", sagt Michael Knaus, sportlicher Leiter des Behinderten Skilaufs im ÖSV.  (Benno Zelsacher, DER STANDARD Printausgabe 20.10.2011)