Protest gegen die Macht der Finanzindustrie am Wochenende in Budapest. Ungarn hat Devisendarlehen inzwischen verboten.

Grafik: STANDARD
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Wien - Sie sind riskant, haben Länder an den Rand des Bankrotts gedrängt. Trotzdem sind Fremdwährungskredite in Teilen Osteuropas wieder im Kommen. Die Osteuropabank EBRD präsentiert am Dienstag ihren Wirtschaftsausblick, indem sie erstmals seit drei Jahren von einem Wiederaufschwung der Kreditvergabe in ausländischen Währungen warnt.

In Rumänien, Bulgarien, Georgien und Albanien wird absolute Mehrzahl der Hypothekendarlehen in Fremdwährungen vergeben. In Rumänien läuft sogar über 90 Prozent der Immobilienfinanzierung in Euro, heißt es bei der Notenbank in Bukarest.

Das Thema ist für zahlreiche Staaten und für Österreichs Banken brisant: Nach Krisenausbruch 2008 haben Währungen wie der ungarische Forint und die polnische Zloty stark abgewertet. Weil hundertausende Haushalte sich in Franken, Dollar und Euro verschuldet haben, stieg die Zahl der faulen Kredite sprunghaft an. Eine Studie der Oesterreichischen Notenbank von Ende 2010 hat belegt, dass die österreichischen Kreditinstitute und ihre Töchter besonders aktiv waren: In "so gut wie allen" Ländern Mittel- und Osteuropas war ihr Marktanteil bei Devisenkrediten höher als der ihrer Mitbewerber. Insgesamt summierten sich Darlehen in Franken und Co. auf 124 Milliarden Euro.

Doch der neue Trend weist auch Unterschiede zur bisherigen Entwicklung auf. Zunächst sind Darlehen in Yen und Schweizer Franken de facto "tot", heißt es bei BCR, der Erste Bank Tochter in Rumänien. Die neuen Devisenkredite laufen zumeist in Euro.

Dabei dürfte das Risikobewusstsein mancher Aufseher und vieler Kunden mangelhaft sein. Besonders in EU-Staaten wiegen sich viele wegen der vermeintlichen Nähe zur Gemeinschaftswährung in Sicherheit. "Das ist eine große Diskussion. Es gibt Meinungen, wonach der Euro eigentlich gar keine Fremdwährung sei. Dabei wissen wir genau, dass es ein sehr langer Prozess sein kann, bis ein Land den Euro wirklich einführt", sagt Piroska Nagy von der Osteuropabank in London.

Fernsehkauf mit Franken

Bei der Aufsicht in Österreich wird betont, dass zumindest keine neuen Devisendarlehen für Konsumgüter vergeben werden. In Rumänien, Ungarn und Polen waren Franken- und Eurokredite für Kühlschränke und Fernseher keine Seltenheit.

Das Grundproblem laut der Aufsicht in Wien ist, dass sich Kreditinstitute in Ländern wie Rumänien nur schwer und teuer in lokalen Währungen refinanzieren können. Der nationale Kapitalmarkt gilt noch als zu klein. Wenn eine Bank sich Euro ausborgt und zum Beispiel Kredite in rumänischen Leu vergibt, trägt sie das ganze Währungsrisiko.

So aber sind es die Kunden, die Gefahr laufen sich zu überheben. Das Problem trifft im Krisenfall, wenn lokalen Währungen schwächeln, ganze Staaten. In Ungarn (wo Fremdwährungsdarlehen verboten wurden) zeigt sich das besonders drastisch: Zwei Drittel aller Privatkredite wurden in Franken vergeben. Viele Geschäfte haben lange Laufzeiten, Währungsschwankungen können das Land also über Jahrzehnte belasten. Auch in Polen, der Ukraine, Lettland und Kroatien ist die Menge der Fremdwährungskredite ein Problem für die Finanzstabilität.

Die ungarische Parlament hat als erstes Land in Osteuropa ein Gesetz erlassen, dass versucht den Bestand der Kredite zu reduzieren. Kreditnehmer können ihre Fremdwährungsdarlehen bis Jahresende unter den aktuellen Kursen zurückzahlen. Die Maßnahme ist aber höchst umstritten: Banken sprechen von einer Teil-Enteignung, eine Verfassungsklage wurde bereits eingebracht.

Vertreter des Internationalen Währungsfonds und der EBRD haben sich im Standard erstmals zu den Vorgängen geäußert. Sie sehen die Entwicklung differenzierter. Die Zielsetzung des neuen Gesetzes, nämlich den Bestand an Devisenkrediten zu reduzieren und die Banken an den Kosten zu beteiligen, mache Sinn.

Wenig Verständnis gibt es für die Art und Weise, wie diese Beteiligung umgesetzt wird. Der IWF kritisiert, dass nur Besserverdienern geholfen wird, die es sich leisten können ihren Frankenkredit auf einmal zurückzuzahlen. Sowohl EBRD als auch IWF bemängeln schließlich, dass Budapest die Banken nicht in die Verhandlungen über das Gesetz einbezogen hat und über die Partner hinweg entschieden wurde.(András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.10.2011)