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Weil 60 Prozent der Downloads von Büchern auf Lesegeräte und Tablet-PC illegal sind, wollen die Verleger einen "Webcrawler" losschicken, der das Internet durchkämmt und Piraten-Links löscht.

 

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Der Vorarlberger Erich Bösch, Gewinner des 1. Deutschen E-Book-Preises.

 

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Während die traditionellen Buchhändler und Verleger Existenzängste plagen, präsentieren optimistische Anbieter eine schöne neue und elektronische Buchzukunft. Erhard Stackl hörte sich auf der Frankfurter Messe um.

Einen Buchpreis hat auf der weltgrößten Branchenmesse in Frankfurt am Main doch noch ein Österreicher gewonnen: den heuer erstmals vergebenen deutschen E-Book-Preis, der unter 350 Bewerbern an Erich Bösch, einen 32-jährigen Sportlehrer aus Dornbirn, ging. Der mit 1000 Euro dotierte Preis für neue digitale Texte schlug freilich keine medialen Wellen. Der hörbar aus Vorarlberg kommende Bösch, Ex-Bademeister und derzeit auch Fitnesstrainer, war allerdings so überrascht, dass er nicht einmal den Titel wusste, unter dem die von Droemer Knaur betriebene Online-Plattform Neobooks.de seinen kurzen Justizthriller anbieten will: Sie hat verbundene Augen.

Die Preisverleihung fand in der hintersten Ecke einer Messehalle vor leicht überschaubarem Publikum statt. Und vor der Übergabe musste es den Vortrag eines Sponsors über die Vorteile eines neuen SMS-Bezahlsystems für Käufe im Internet überstehen.

Kaum zu glauben, dass die deutschsprachige Buchbranche im E-Book künftig ein Monster heranwachsen sieht, vor dem viele Verleger, aber vor allem die Buchhändler jetzt schon zittern.

In Deutschland hat das E-Book derzeit nur 0,7 Prozent Marktanteil. Der Jahresumsatz beläuft sich auf 13 Millionen Euro. In den USA liegt der Anteil schon über sechs Prozent. Amazon.com mache dort schon mehr Geschäft mit E-Books als mit gedruckten Büchern, flüsterten Aussteller in Frankfurt einander zu.

In Österreich hat ein Drittel der Verlage bereits in die digitale Buchzukunft investiert, wie eine im Sommer durchgeführte Umfrage des heimischen Verlegerverbandes ergab. Ein Vorreiter ist der kleine Picus-Verlag, der seit einigen Wochen 75 Titel über seine Website und über online präsente Händler wie Thalia verkauft.

"Wir sehen, dass quer durch die Programme und durch die Jahrgänge bestellt wird", sagte in Frankfurt der Picus-Chef Alexander Potyka, der bis Jahresende 100 Titel als E-Books anbieten will. Sie sind jeweils um ein paar Euro günstiger als die gedruckte Version. Stefan Slupetzkys Halsknacker zum Beispiel, der gedruckt 16,90 Euro kostet, ist als Download um 13,99 zu haben.

Für den Handel verloren

Es sei klar, dass der E-Book-Vertrieb "für den Buchhandel verloren ist", bedauert Potyka.

Da die großen Internet-Buchanbieter wie Amazon und demnächst Google die Verlage drängen, auch Neuerscheinungen sofort digital anzubieten, lässt sich absehen, was für Einbußen das für den traditionellen Handel bedeutet, falls immer mehr Kunden zum Lesegerät oder zum - nun billiger werdenen - Tablet-PC greifen.

Doch auch Verlegern, die sich als Content-Anbieter mit wenig Nostalgie für bedrucktes Papier verstehen, schwant Böses, wenn sie die Musikindustrie betrachten und der CD, demnächst vielleicht auch dem Medium DVD-Film, beim Sterben zuschauen.

Die größte Herausforderung beim E-Book sei, dass "60 Prozent aller Downloads illegal sind", klagt Benedikt Föger, Czernin-Verlagsleiter und Vorsitzender des Österreichischen Verlegerverbands. "Alle Kopierschutzprogramme werden von professionellen Piraten geknackt, es ist eine Illusion, dass man sich mit technischen Mitteln schützen kann." Die österreichischen Verleger versuchen es trotzdem und haben ihre belgischen Kollegen kontaktiert, die einen Raubkopierer jagenden Webcrawler entwickelten.

"Der Crawler durchkämmt täglich 12.000 Filesharing-Seiten im Internet, spürt Links zu illegalen Downloads auf - und löscht sie", berichtet Föger. Wenn der Link anderntags wieder irgendwo im Web auftaucht, gehe das Spiel von vorn los.

Gleichzeitig mit der Verteidigung des Urheberrechts müssten die Verleger ein attraktives Angebot für zahlungswillige E-Book-Interessenten entwickeln, meint der Verleger. Die Aktivisten der Piratenpartei seien sicher keine Feinde. Sie würden aber den Denkfehler begehen, sich mit der Forderung nach Internetfreiheit ohne Urheberrecht zu Handlangern der wenig demokratischen Giganten Apple, Google und Facebook zu machen, "die alles über uns wissen wollen".

Klassiker als Computerspiel

Optimisten unter den E-Book-Leuten, die andauernd ein eher seltsam klingendes Englisch verwenden, hörten sich in Frankfurt Debatten zu "Storytelling & Storyselling" über die schöne neue Transmedia-Welt von morgen an.

Beim Event Pimp my Story. Mr. Book trifft Mr. Game erzählte Jo Löffler, Chefredakteur beim Stuttgarter Panini-Verlag, wie dort aus erfolgreichen Computerspielen wie Resident Evil oder Star Wars Bücher gemacht werden. Umgekehrt könnte man aus Buchklassikern per "Gamification" Spiele produzieren. (Bei der Fernsehserie Borgia passiert das schon - zu ihr wurde auch ein Computerspiel entwickelt.)

Aber auch simple Kochbücher können, als E-Book am iPad gelesen, lebendig werden: Ein Fingerdruck auf ein Foto im Buchlayout genügt, und der Koch führt die Zubereitung im Detail vor. "Man kann aber die Seiten weiter' umblättern', das Buchgefühl bleibt", sagt Roman Janson-Winkeln von der Softwarefirma Satzweiss. Gemeinsam mit Chichili, der ersten deutschen E-Book-Agentur, bietet er Verlagen die Produktion solcher "Enhanced E-Books" an.

In Frankfurt vor einer hohen Bücherwand stehend, definierte Sascha Lobo, Webexperte mit roter Irokesenfrisur, die Zukunft so: "Es wird ein mediales Erlebnis geben, das digital daherkommt und das Text und Bilder, Töne und Filme beinhaltet." Eine "Bestandsgarantie" für bestehende Medien sieht er nicht, "obwohl noch viele Menschen aus romantischen Gründen gedruckte Bücher gern mögen - ich ja auch". (DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2011)