"Wenn Vereinbartes nicht gehalten wird, dann bedeutet das Kampf. Das ist klar."

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Standard: Wann sind Sie zuletzt rundum zufrieden von Wien nach Hause gefahren?

Sausgruber: Vor zwei, drei Monaten, nach einem Gespräch mit Vizekanzler Michael Spindelegger zur Verwaltungsreform. Ich hatte das Gefühl, es werden jetzt Themen in einem Stil in Angriff genommen, der Konsens möglich macht.

Standard: Was war Ihr Input in diesem Gespräch?

Sausgruber: Die Überlegung, partnerschaftlich an Lösungen heranzugehen, Themen nicht nur in Überschriften zu diskutieren, in die Tiefe zu gehen. Die Anregung, dass der Bund bedenken sollte, ob und wie Reformen in der Praxis umsetzbar sind - rechtlich, organisatorisch, finanziell. Das setzt Zeit für Gespräche voraus, die hatte man.

Standard: War das immer so?

Sausgruber: Absolut nicht. Das war und ist von Minister zu Minister sehr unterschiedlich. Bereiche, wo man etwas bewegen konnte, waren etwa der Hochwasserschutz oder der Öffentliche Personennahverkehr, da arbeitet man partnerschaftlich und vernünftig miteinander. Ein Elend war aber immer, wenn nur Überschriften ausgetauscht wurden.

Standard: Was war denn das größte Elend für Sie?

Sausgruber: Aktuell im Gesundheitsbereich, wo unsere Vorstellung von einer Modellregion nicht verstanden wird.

Standard: Weil Föderalisten auf Zentralisten treffen?

Sausgruber: Zentralistische Positionen spielen auch eine Rolle. Es geht aber eher um Politikertypen, die sich mit umfassenden Konzepten schwertun. Mit manchen Partnern kann man nicht ernsthaft über Gesamtlösungen diskutieren: Manche leben nur in Überschriften. Meine Erfahrung über Jahrzehnte ist, dass der Hauptunterschied zwischen "Es geht etwas Vernünftiges" oder "Es bewegt sich nix" im Führungspersonal liegt. Die seltsame Vorstellung, man sei nur mit alleiniger Kompetenz handlungsfähig, halte ich für lächerlich.

Standard: Erleichtert die passende Parteifarbe die Kooperation?

Sausgruber: Wenn einer was versteht und brauchbare Lösungen erreichen will, ist es nicht so wichtig, aus welcher politischen Ecke er kommt. Wir haben mit Ministern unterschiedlicher Parteien sehr ordentliche Ergebnisse erzielt.

Standard: War es mit Schwarz-Blau leichter als mit der großen Koalition?

Sausgruber: Wenn man bei der Wahrheit bleibt: Es war immer stark personenorientiert.

Standard: Sie haben den Bund mehrmals geklagt, warum?

Sausgruber: Wo kooperiert wird, spielt die Frage der Einhaltung von Vereinbarungen eine fundamentale Rolle. Beispiel Gebietskrankenkassen. Man hatte vereinbart, dass bestimmte Kassen einen zusätzlichen Solidarbeitrag einbringen. Ich kann mich erinnern, dass ich damals gefragt habe: "Dann ist aber Ruhe?" Die Antwort war: "Ja, dann ist Ruhe. " Kaum eineinhalb Jahre später war das vergessen. So stelle ich mir Kooperation nicht vor. Wenn Vereinbartes nicht gehalten wird, bedeutet das Kampf, das ist klar.

Standard: Wie ließe sich die Kooperationsbereitschaft regeln?

Sausgruber: Das ist keine Frage der Regelung, sondern des Charakters der handelnden Personen.

Standard: Sie gelten als Sparmeister. Haben Sie dafür ein Patentrezept auch für andere?

Sausgruber: Ich übernehme sicher nicht die Rolle des belehrenden Musterknaben, aber ich schildere gerne, was wir machen und warum. Die Überlegungen sind einfach, entsprechen der Lebenserfahrung und dem Hausverstand: Selbstorganisation bei notwendigen Dienstleistungen durch Familie und Ehrenamt. Das Land unterstützt und ergänzt, wo Selbstorganisation nicht funktioniert. Das nennt man Subsidiarität, der Begriff kommt aus der katholischen Soziallehre. Die Staatsquote wird dadurch aufgaben- und ausgabenseitig niedriger. Die österreichische politische Diskussion samt ihrem wissenschaftlichen Anhang will aber nur zentralisieren, zentralisieren. Sie verstehen nicht, was Selbstorganisation, die naturgemäß kleinteilig ist, an Senkung der Staatsquote bringt. Es ist aber der Hauptgrund, warum wir daran denken können, ohne neue Schulden auszukommen.

Standard: Warum wollen Sie keine neuen Schulden?

Sausgruber: Weil sie die fatale Folge haben, dass man anschließend Banken bedienen muss und nach einigen Jahren dieser Fixkostenanteil die Handlungsfähigkeit erdrosselt. Wir brauchen aber auch in fünf oder zehn Jahren noch Spielraum. Wir haben sofort, nachdem das Wifo die Wirtschaftswachstumsprognose nach unten korrigiert hat, gesagt: Es wird ein Zahn zugelegt, ab 2012 keine Nettoneuverschuldung mehr. Eine kompakte Mehrheit ist da ein Vorteil. Wir können agieren wie ein Unternehmen, das feststellt: Umsatz fällt, wir müssen reagieren. Eigentlich ist das putzeinfach, oder?

Standard: Wäre die Steuerhoheit der Länder von Vorteil?

Sausgruber: Im Massensteuerbereich bin ich skeptisch. Unterschiedliche Einkommens-, Körperschafts- oder gar Umsatzsteuern in einem Binnenmarkt bei der Größe Österreichs halte ich für problematisch, das würde Doppelbesteuerungsprobleme bringen. So ein System würde natürlich Unterschiede produzieren, die Unterschiede müsste man dann auch aushalten. Es macht keinen Sinn, zuerst Systeme zu implementieren, um am nächsten Tag zu erkennen, dass man es wieder ausgleichen muss, weil Unterschiede als ungerecht empfunden werden. Bei der Grundsteuer ist die Situation anders: Da hätte die Steuerhoheit für uns den Reiz, dass man massive Erhöhungen verhindern könnte.

Standard: Werden Sie die Wien-Termine vermissen?

Sausgruber: Ich hab die Verhandlungen in Wien, wie überhaupt meinen Beruf, sehr gerne ausgeübt. Der Schnitt bedeutet eine Umstellung für mich, auch einen Verlust. Andererseits gewinne ich Freiheit durch Zeit. (Jutta Berger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.10.2011)