Gegen Verallgemeinerungen, Konventionen und vereinfachende Zuschreibungen: die Schriftstellerin Julya Rabinowich.

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Wien - "Ich werde meine Heimat später hartnäckig suchen, wie ein blöder Hund, den man kilometerweit abtransportiert hat und der beharrlich in die falsche Richtung zurücklaufen möchte", denkt die Hauptfigur, ein Mädchen, in Julya Rabinowichs Debütroman Spaltkopf (Edition Exil, 2008).

Es sind einige Lehren, die das Leben dem Mädchen, das im Verlauf des Romans von St. Petersburg nach Wien emigriert, wo es zur jungen Frau wird, mitgibt. Eine lautet: "Ich bin müde. Ich bin nicht daheim. Ich bin angekommen."

Mit dem Uneindeutigen, dem ins Schwanken Geratenen, mit Herzbrüchen und dem Fragmentarischen setzten sich viele Essays und Theaterstücke - auch der zweite Roman Herznovelle (Deuticke, 2011) - der in Wien lebenden Julya Rabinowich auseinander.

Neben dem Humor, der sich trotz oder gerade wegen der harten Realitäten, die behandelt werden, durch das Werk dieser Autorin zieht, ist Vielseitigkeit ein weiteres Stichwort, das sich im Zusammenhang mit Julya Rabinowich aufdrängt: 1970 in eine St. Petersburger Künstlerfamilie geboren, sieben Jahre später "entwurzelt" und nach Wien "umgetopft", wie es auf ihrer Homepage heißt, hat Rabinowich inzwischen sieben Theaterstücke, unzählige Anthologiebeiträge und zwei Romane geschrieben.

Dazu schloss sie 2006 ein Studium an der Angewandten ab (Schwerpunkt Malerei, Meisterklasse Christian Ludwig Attersee) und arbeitete nach einer Dolmetschausbildung als Übersetzerin in Psychotherapiesitzungen mit Flüchtlingen.

Es gibt also einiges - Frau, russisch, jüdisch, vielseitig, "Migrationshintergrund" -, das dazu angetan ist, das mediale Interesse weg von ihrem Werk hin auf die Person Julya Rabinowichs zu lenken. Derlei Zuschreibungen und Schubladisierungen lehnt Rabinowich hingegen ab: "Menschen schreiben menschliche Literatur - auch unmenschliche. Weitere Unterscheidungen finde ich nicht sinnvoll", sagte sie dazu in einem Interview.

Gegenwärtig schreibt die Autorin an ihrem dritten Roman, Die Erdfresserin lautet sein Arbeitstitel, und in den kommenden drei Wochen wird Julya Rabinowich die Viennale an dieser Stelle mit einem Tagebuch begleiten.  (Stefan Gmünder  / DER STANDARD, Printausgabe, 14.10.2011)