Das Wiener MQ musste einen "Shitstorm" über sich ergehen lassen. Bei der buzzattack berichtete die Social-Media-Verantwortliche Alina Lauchert von ihren Erfahrungen damit.

Foto: MQ

"Verdammt und könnt ihr mir bitte sagen, über wen ich mich jetzt erregen soll? Ich möchte Teil eines digitalen Mobs sein." Dieses Statement läutete das Ende des bislang prominentesten österreichischen Shitstorms ein, der im April 2011 das Wiener Museumsquartier traf. Als Auslöser fungierte die Übernahme der Facebook-MQ-Fanpage, die bis dahin vom Studenten Helmuth Lammer aufgebaut und betrieben worden war und 20.000 Fans zählte. Facebook erledigte die angefragte Umwidmung so schnell, dass sich Lammer trotz vorhergehender Gespräche überrumpelt und aus seiner eigenen Seite ausgesperrt fühlte und konterte: "Na gut ... ihr Arschlöcher ... Ich geh damit an die Presse".

"Ich habe viel gelernt"

Alina Lauchert, Social-Media-Verantwortliche des MQ, ist inzwischen sogar froh über die intensive Erfahrung, wie sie sagt: "Im Nachhinein hat sich herauskristallisiert, dass zehn bis zwanzig Leute aus 20.000 Fans aktiv über die ganze Zeit beteiligt waren. Man muss sich währenddessen immer fragen: Wer redet? Gehören die zusammen und betrifft das wirklich meine gesamte Community?" Weiters sei es aufgrund rechtlicher Schritte sehr wichtig, alle Kommentare zu dokumentieren, da diese während des Shitstorms oft auch wieder gelöscht werden würden.

Rechtliche Handhabe

Noch gebe es keine Social-Media-konformen rechtlichen Regelungen, brachte der Rechtsanwalt Wolfgang Renzl ein, der auch den MQ-Quartier-Shitstorm juristisch begleitet hat. Dennoch bestehe die Möglichkeit, gegen Beleidigungen vorzugehen. Die Schwierigkeit ist seiner Meinung nach kulturell bedingt: in der Kleinstadt lerne man von Kindesbeinen an, auch schlecht über andere Leute zu reden. "Die Menschen müssen erst lernen, dass sie jetzt öffentlich und nachhaltig kommunizieren", erklärte der Jurist und bezifferte auf Nachfrage eventuelle Prozesskosten mit "rund 10.000 Euro plus 4.000 Euro für eine eventuelle Verhandlung über eine Vorstrafe."

Moderation statt Dialog

Viel gelernt hat auch die Berlinerin Paula Hannemann vom WWF Deutschland, als nach der WDR-Premiere der Dokumentation "Der Pakt mit dem Panda" im Juni 2011 ein Shitstorm über die weltweit renommierte Tierschutzorganisation hereinbrach.

"In kürzester Zeit wurden wir auf allen Kanälen überrannt, am besten kann man es mit einem Schnellzug vergleichen. Es ist wichtig zu erkennen, dass man mit 40.000 Stimmen keinen Dialog führen kann. Man muss sofort versuchen, in eine Moderationshaltung zu kommen", berichtet Hannemann und geht in ihrem Erfahrungsbericht auch auf die emotionale Ebene ein. "Mehr als sieben Stunden hält man als Kommunikator keinen Shitstorm durch. Deshalb ist es wichtig, bereits im Vorhinein abzuklären: Was kann passieren, wer kann kommunizieren und wie lange? Es geht dabei um die Organisation von 48 bis 72 Stunden."

Laut der WWF-Expertin hätten 81 Prozent aller Unternehmen weltweit einen Krisenplan, doch nur bei 21 Prozent sind Social-Media-Strategien darin integriert. Wer sich vorbereiten wolle, solle Content auch für Kanäle wie Youtube aufbereiten. "Es geht darum, Content gegen Content schießen zu können", erklärt Hannemann, "eine Pressemitteilung allein wird Ihnen nicht weiterhelfen." (Tatjana Rauth/derStandard.at/13.10.2011)