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Werner von Siemens, einer der Großen unter den Erfindern. Auf ihn geht etwa das Verfahren zurück, Drähte nahtlos zu umhüllen - damit war die Isolierung elektrischer Leitungen und Kabel erdacht.

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Elektrodynamik: Dass Elektromaschinen sowohl Strom erzeugen als auch Antrieb erzeugen können, diese Siemens-Idee erfährt mit der Hybridtechnik neue und höchste Aktualität.

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Werner von Siemens (1816-1892) war unbestritten eine Schlüsselfigur in der Elektrifizierung der Welt, insofern hat er verdient, in die Reihe der großen Erfinder aufgenommen zu werden. Allerdings: Viel mehr noch als der große Erfinder war er der große Umsetzer. Während es kreativen Genies oft an Konsequenz mangelt, verhalf er mehreren bahnbrechenden Erfindungen zum Durchbruch und versetzte damit ein ganzes Weltbild in Drehbewegung. Meist ist eine Erfindung Produkt einer Zeit, oft ist es nur eine Frage, wer den Wettlauf zum Patentamt gewinnt. Faszinierend an Siemens: Er ging immer einen Schritt weiter und sorgte nach Entdeckung eines Funktionsprinzips auch gleich für die technische Umsetzung.

So war es bei seiner ersten wichtigen Erfindung, dem Zeigertelegrafen: Während andere noch an der Idee tüftelten, hatte Siemens bereits ein funktionsfähiges Produkt. Ähnlich beim elektrodynamischen Prinzip: Während die meisten Pioniere die Elektrotechnik noch als reine Schwachstromdisziplin begriffen, erkannte Siemens als einer der Ersten Strom als Energieträger. Im Deutschen Museum München ist der Schlüsselsatz dazu überliefert: „Der Technik sind gegenwärtig die Mittel gegeben, electrische Ströme von unbegrenzter Stärke auf billige und bequeme Weise überall da zu erzeugen, wo Arbeitskraft disponibel ist."

Das elektrodynamische Prinzip hat übrigens mit dem Fahrraddynamo genau nix zu tun, es beschreibt, dass eine Elektromaschine bei entsprechender Konstruktion auch ohne Stromzufuhr oder Vorhandensein von Permanentmagneten ins Stromerzeugen gebracht werden kann, allein durch den Restmagnetismus aus dem vorhergehenden Lauf. Gerade in Zusammenhang mit der Hybridtechnik, wo multifunktionale Elektromaschinen gefragt sind, die sowohl Strom erzeugen als auch antreiben müssen, und beides bei möglichst hohem Wirkungsgrad, werden die Ingenieure immer wieder auf Prinzipfragen zurückgeworfen, die schon damals zu Siemens' Zeiten Thema waren.

Werner war der älteste Sohn in einer Orgelpfeifenreihe von 14 Kindern. Die gesellschaftliche Zugehörigkeit könnte man als verarmtes Großbürgertum bezeichnen, weshalb seine schulische Karriere aus Geldmangel von Anfang an stockte. Doch es gelang ihm schließlich, über eine Militärkarriere zu einer seriösen Ingenieursausbildung zu kommen. Eines der wichtigsten Ereignisse war wohl, dass er den Feinmechaniker Johann Georg Halske kennenlernte, der für die handwerkliche Umsetzung seiner Ideen sorgte. Mit ihm baute er den Zeigertelegrafen und gründete sein erstes Unternehmen, die Telegraphenbauanstalt Siemens und Halske. Finanziert wurde der Start der Gesellschaft von seinem begüterten Cousin, dem Justizrat Johann Georg Siemens.

Zwei wesentliche Elemente bestimmten fortan sein Leben: die Familie und eine globale Denkweise, wie sie einmalig war zur damaligen Zeit. Er agierte international und kooperierte eng mit seinen Brüdern und Söhnen. Siemens bestand also sehr bald aus mehr als nur Werner, der aufgrund seiner Verdienste 1888 durch Kaiser Friedrich III. geadelt wurde.

Der Siemens-Clan baute Telegrafenleitungen über Kontinente und elektrifizierte die Welt: erste elektrische Eisenbahn (Berlin 1879), erster elektrischer Aufzug (Mannheim 1880), erste E-Straßenbahn (Berlin 1881). Werner von Siemens war ein enorm erfolgreicher Geschäftsmann, der sich trotzdem eher als Ingenieur sah, weniger als "Geldmensch", wie er selbst einmal sagte, und er entwarf sogar erste Beteiligungsmodelle für Mitarbeiter. Erfolg und Zielstrebigkeit dieses Mannes erscheinen auch aus der zeitlichen Entfernung unvorstellbar. Werner von Siemens entdeckte nicht nur, wie man Strom im großen Stil herstellt, er entwarf dazu auch gleich den Anwendungszweck. (Rudolf Skarics/DER STANDARD/rondoMobil/Oktober 2011)