Foto: Werk
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Norbert schaut ganz zerdrückt. Der Mechaniker war zum Nürburgring bestellt worden, um dort bei Testfahrten einen Lexus LFA zu warten. War ihm gesagt worden. Jetzt sitzt er selbst in einem LFA. Allerdings auf dem Beifahrersitz. Er ist kurzfristig zum Aufpassen abkommandiert worden. Am Steuer sitzt ein Österreicher und sucht den ersten Gang. Wow. Der LFA springt nach vorne, Zweite, Dritte. Das Getriebe scheppert. "Ist der kaputt?", fragt der Österreicher. "Nein, das ist Absicht", sagt Norbert, "das ist sportlich."

Norbert kommt aus der Rennsportabteilung von Toyota, der LFA ist eine willkommene Abwechslung. 455.000 Euro würde der Wagen in Österreich kosten, es ist das teuerste japanische Serienfahrzeug, das jemals konstruiert wurde. Zehn Zylinder, 560 PS in der zivilen Fassung, 571 PS in der schärferen. Nur so als Anhaltspunkte: 325 km/h Spitze, die Hundert sind in 3,7 Sekunden erreicht.

Das wollen wir ausprobieren. "Bist. Du. Deppert." Sagt der Österreicher. "Lass. Mich. Aussteigen." Sagt Norbert. Da nimmt der LFA gerade die Auffahrt zur Autobahn, irgendwo zwischen Köln und Bonn. Deutsche Autobahn. "Gibt's da jetzt kein Geschwindigkeitslimit?", fragt der Österreicher. Norbert fiepst. "Echt nicht?", fragt der Österreicher. Norbert fiepst. Der Österreicher steigt aufs Gas. Norbert fiepst.

Am Ende steht eine wirklich unanständige Geschwindigkeit am Tacho, Norbert hat längst die Augen geschlossen, fiepst aber noch. So schnell ist der Österreicher noch nie gefahren, aber die Sache ist hoch legal. So weit man noch etwas fühlt, fühlt sich das erstens gut an und zweitens sicher. Der LFA liegt satt am Belag, der Motor hat sich schon deutlich geräuspert, aber er brüllt nicht. Der LFA ist unglaublich schnell, also wirklich schnell, dabei aber sehr präzise, im Verhalten fast unspektakulär.

Wie schnell, sollte sich erst am nächsten Tag herausstellen. Und sagte jemand: Unspektakulär?

Zurück beim Hotel, wankt Norbert aus dem Wagen und fiepst noch einmal erbost. "Man sieht sich", erwidert der Österreicher.

Am nächsten Tag Nürburgring, Nordschleife, die grüne Hölle genannt. Der Österreicher legt eine richtig gute Runde hin. Tadellose Zeit. Dann taucht Norbert auf, er ist verdächtig gut gelaunt. Norbert hat einen Japaner im Schlepptau, in voller Kampfmontur. Auch der Österreicher hat sich in einen Rennanzug gezwängt, an Bauch und Schultern spannt es etwas, aber das passt schon, der Schritt ist federnd, der Blick verwegen. „Darf ich vorstellen?", fragt Norbert und weist auf den Japaner: "Ishiura Hiroaki." Der Japaner sagt: "Ich bin Rennfahrer, ich bin die 24 Stunden am Nürburgring gefahren, ich liebe dieses Auto." Dann verneigt er sich. Erst vor dem Österreicher, dann vor dem Auto. Er weist zur Beifahrertüre.

Mit einer Explosion schießt der Wagen aus der Boxengasse, stürzt sich mit unfassbarem Karacho in die ersten Kurven, brüllt, faucht, quietscht, der Japaner meint es ernst, total ernst, er katapultiert den Wagen in die nächste Gerade, unter seinem Helm kann man genau das Messer zwischen seinen Zähnen sehen, und die Nordschleife ist lang, gute 20 Kilometer, und hat der Österreicher heute tatsächlich gefrühstückt? Fieps.

In einer langgezogenen Kurvenkombination, also in einer Kurvenkombination und nicht auf der langen Start-Ziel-Geraden, in dieser Kurvenkombination stehen dann tatsächlich 270 km/h am Tacho. Und dann erst biegt der LFA in die lange Gerade ein, der Japaner nimmt die rechte Hand vom Lenkrad und zeigt dem Österreicher den erhobenen Daumen. Lacht. Ha ha! Und brüllt etwas. Hört sich an wie: "Grüße von Norbert."

Bei 280 km/h schließt der Österreicher die Augen. Die Rundenzeit liegt schließlich knapp über acht Minuten. Das ist ein richtig, richtig guter Wert. Auch für einen professionellen Rennfahrer. Auch für einen schnellen Wagen.

Und dabei saß da noch ein Österreicher mit drin. (Michael Völker/DER STANDARD/rondoMobil/Oktober 2011)