Es mag ja ganz normal sein, dass eine grüne Partei alles versucht, den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen. Das ändert aber nichts daran, dass die Öffi-Tarifreform der rot-grünen Wiener Stadtregierung ein seltsamer Kompromiss ist, der zwar bestehenden Öffi-Fahrern zugutekommt, aber wenig dazu beitragen wird, um mehr Menschen vom Auto zu U-Bahn und Bim zu locken.

Persönlicher Einschub: Ich bin konsequenter Radfahrer, der gelegentlich die U-Bahn nimmt. Für mich wird das Öffi-Fahren daher teurer. Billiger wird es nur, wenn ich mein Fahrrad etwa wegen Regens in der U-Bahn mitnehme, weil ich dafür ab Mai 2012 keinen Halbpreisfahrschein mehr brauche. Für meine Frau -  eine Autofahrerin, die manchmal U-Bahn fährt - wird der Umstieg jedenfalls unattraktiver.

Wichtiger als die persönliche Betroffenheit ist die Frage, ob dieser Einsatz von Steuermitteln seinen Zweck erfüllt – nämlich Wien etwas grüner zu machen. Die Jahreskarte der Wiener Linien ist bereits jetzt im internationalen Vergleich eher günstig. Nur wenige Wiener haben bisher auf den regelmäßigen Gebrauch verzichtet, weil das Öffi-Fahren zu teuer war.

Das heißt, die saftige Preissenkung um 19 Prozent dürfte dennoch nur wenig neue Fahrgäste bringen. Statt Anreiz steht hier der Mitnahmeffekt für die jetzigen Öffi-Fahrer im Mittelpunkt – was auch Grünen-Chefin Maria Vassilakou bestätigt, wenn sie sagt, dass man damit "die Entlastung tausender StammkundInnen der Wiener Linien“ erreichen will.

Aber gleichzeitig werden Gelegenheitsfahrer bestraft – also jene, die täglich vor der Wahl stehen, ob sie mit U-Bahn oder vielleicht doch mit Auto fahren sollen. Wie der Verkehrsexperte Sebastian Kummer betont, ist der Preis überhaupt nicht das Entscheidende für die Verstärkung des öffentlichen Verkehrs, sondern die Attraktivität des Angebots.

Aber wenn es eine Gruppe gibt, die man zum Öffi-Fahren verleiten sollte, dann sind es jene, die sich noch nicht dazu entschlossen haben. Eine Preiserhöhung um 11 Prozent wird dies etwas weniger wahrscheinlich machen.

Warum die bisher besonders günstige, aber wenig verwendete Acht-Tages-Klimakarte besonders stark verteuert (um 17 Prozent) werden muss, ist noch weniger klar. Sie ist gerade für Menschen gedacht, die zwar nur an wenigen Tagen, aber dann doch intensiv die Wiener Linien nützen wollen. Bisher war der Streifen so teuer wie zwei Einzelfahrten – die dritte Fahrt war gratis.

Nun kostet der Streifen etwas mehr als zwei Einzelfahrten; wenn man sich nicht sicher ist, ob man ein drittes Mal am gleichen Tag Öffis fährt, wird man es nun eher bleiben lassen.  Das ist nicht im Sinne der Ökologie.

Anders als Bürgermeister Michael Häupl behauptet, gibt es nicht nur Sieger bei der Reform. Profitieren tun Stammgäste und Radfahrer, die auch Öffis fahren – also die typischen Wähler von rot und grün. Draufzahlen tun Wechselfahrer, die vielleicht eher im bürgerlichen Lager zu finden sind. Das ist beinharte Klientelpolitik, die nichts für die Umwelt tut.