Philip Walther erhielt heuer den Start-Preis des FWF.

Foto: STANDARD/Corn

Sebastian Diehl publizierte vergangene Woche ein Quantencomputerkonzept.

Foto: STANDARD/Corn

Markus Aspelmeyer, Physikprofessor an der Uni Wien, macht aus seinem Herzen selten eine Mördergrube. Er strahlt daher gern, wenn er von neuen Forschungsergebnissen spricht. So auch diesmal. Was da im Laufe von Tests deutlich wurde, dürfte ja wirklich der Eintritt in eine neue Dimension der quantenmechanischen Experimente sein. Einem Team um Oskar Painter, Professor für angewandte Physik am California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena, war es gemeinsam mit Wissenschaftern aus der Gruppe Aspelmeyers erstmals gelungen, Dinge, die man mit einem herkömmlichen Lichtmikroskop betrachten kann, mit Laserkühlung in den Quanten-Nullzustand zu bringen. Dieser kleinstmögliche Energiezustand wird durch die Abkühlung auf weniger als ein Zehntel eines Kelvins (-273,15 Grad Celsius) erreicht.

Bei den Objekten handelte es sich um mechanisch schwingende Sprungbretter aus Silizium, die jeweils nur etwa ein Tausendstel Millimeter breit und nur einige Hundertstel Millimeter lang sind. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa 0,06 bis 0,1 Millimeter breit. Auch anderen Gruppen gelang schon die Kühlung von Objekten mit großer Masse, also mehreren Milliarden Atomen, aber mit aufwändigeren Methoden - zum Beispiel mit Mikrowellen.

Das große Novum an der vorliegenden Arbeit: Mit Laserlicht hat man viel mehr Möglichkeiten der Quantenkontrolle, weil man die gängige Technologie der Quantenoptik zur Verfügung hat. Die Arbeit, die vergangene Woche im renommierten Fachjournal Nature erschien, hat acht Autoren.

Einer von ihnen ist der 30-jährige Simon Gröblacher aus St. Pölten, der an der Uni Wien bei Anton Zeilinger und Aspelmeyer studierte und nun seit April Postdoc am Caltech ist.

Er ist Vertreter einer jungen Quantenphysiker-Generation, die in den letzten Jahren in Wien und Innsbruck erfolgreich war. Allein heuer haben drei von ihnen den Start-Preis des Wissenschaftsfonds FWF gewonnen: Peter Rabl (32), Senior Scientist am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philip Walther (33), Assistant Professor an der Universität Wien, und Sebastian Diehl (32), der die gleiche Position an der Uni Innsbruck innehat. Höher als in anderen Fächern ist auch die Erfolgsquote von Frauen: Barbara Kraus (35) gewann den Start-Preis 2010, Francesca Ferlaino (33) erhielt ihn 2009. Beide kommen von der Universität Innsbruck.

Auf die Frage, warum der Nachwuchs gerade in diesem Forschungsbereich besonders viele Preise und Grants einwirbt, kommen aus der Community immer die gleichen, erwartbaren Antworten: "Sehr gute Forschungsbedingungen", "In Innsbruck und Wien arbeiten einige der international renommiertesten Top-Leute", "Da wird viel für den Nachwuchs getan". Sätze, die man von Wissenschaftern aus anderen Fächern seltener hört.

Oft zitierte Arbeiten

Wer Wissenschaftsberichte verfolgt, weiß, dass da wohl nicht übertrieben wird. Die im vergangenen Frühjahr publizierte EU-Studie Ifetri (Impact of Future and Emerging Technologies Research Initiatives) bestätigt diesen Eindruck: Darin wurden die Publikationen im Gebiet Quanteninformation und Quantencomputer zwischen 1999 und 2009 dahingehend ausgewertet und analysiert, wie oft sie in anderen Arbeiten zitiert wurden - was als Nachweis für die Bedeutung der Publikationen gilt. Fast ein Viertel aller Zitate aus dem Europäischen Raum (EU 27) entfiel auf heimische Physiker, wobei die österreichische Bevölkerung bekanntlich nur 1,67 Prozent der Einwohnerzahl der EU 27 stellt.

Auch Berufungen ins Ausland sind ein Zeichen für die Qualität des Forschungsstandortes: Klemens Hammerer ging kürzlich an die Uni Hannover, Andrew Dailey, fast zehn Jahre in Innsbruck, folgte einem Ruf nach Pittsburgh. Thomas Jennewein aus Wien erhielt einen Ruf nach Waterloo in Kanada, und schließlich lehnte Aspelmeyer eine Professur in Oxford und Calgary ab und blieb in Wien.

Begonnen hat es mit Anton Zeilinger und Peter Zoller vor mehr als zwanzig Jahren. Sie wurden nach Innsbruck an die Uni geholt, der Experimentalphysiker Rainer Blatt kam aus Deutschland. Zeilinger ist mittlerweile in Wien und steht mit 66 Jahren zwei Jahre vor seiner Emeritierung. Die Frage nach möglichen Nachfolgern scheint sich nicht zu stellen. Ein zweite Generation ist längst nachgekommen: Hans Briegel, Rudolf Grimm, Helmut Ritsch, Hanns-Christoph Nägerl, Andreas Läuchli und Gregor Weihs sind Professoren in der Tiroler Landeshauptstadt. Caslav Brukner, Frank Verstraete und Markus Arndt haben den gleichen Status neben Zeilinger und dem selbst noch nicht einmal 40-jährigen Aspelmeyer in Wien inne. An der TU Wien sind die Quantenphysiker Jörg Schmiedmayer, Arno Rauschenbeutel und Thorsten Schumm Inhaber von Professuren. "Ein traumhafter Zustand", schwärmt ein angehender Physiker. Eine große Anzahl an Professuren ergibt ein gutes Betreuungsverhältnis beim Studium.

Sowohl in Innsbruck als auch in Wien wird außerdem Wert auf Nachwuchsarbeit gelegt - die finanziellen Mittel dafür liegen freilich nicht auf der Straße. Zoller zum Beispiel forcierte die Ausschreibung von zwei Junior-Professuren, die gerade läuft und eine Berufung auf fünf Jahre nach Wettbewerbskriterien ermöglicht. Blatt kämpft für die Errichtung eines Hauses der Physik in Innsbruck, das auch anderen Bereichen, zum Beispiel der Astrophysik, ein Zuhause geben soll und "die internationale Sichtbarkeit noch einmal deutlich erhöhen soll". Er betont oft, für den Standort und den Wissenschafter-Nachwuchs und nicht für sich einzutreten. Was glaubwürdig ist: Blatt wird so wie Zoller im September 2012 seinen sechzigsten Geburtstag feiern.

Um mehr internationale Sichtbarkeit und Zusammenarbeit ging es auch bei der Gründung des Vienna Center of Quantum Science and Technology (VCQ) im Dezember 2010, das von Uni und TU Wien sowie von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften getragen wird. Sechs Arbeitsgruppen mit mehr als hundert Wissenschaftern haben in den letzten neun Monaten mehr als 30 Arbeiten in internationalen Fachjournals publiziert.

Nun werden erstmals die Vienna Quantum Fellowships ausgeschrieben. Damit soll es internationalen Jungwissenschaftern möglich gemacht werden, drei Jahre in Wien im Umfeld der Quantenphysiker zu arbeiten. Derzeit sind zwei Stellen auf PostDoc-Level zu besetzen. Gern hätte man natürlich noch mehrere Fellowships ausgeschrieben, aber dafür war derzeit das Geld nicht da.

Noch eine weitere Arbeit eines Jungphysikers erregte in der vergangenen Woche Aufsehen. Wie in der Aspelmeyer-Gruppe wurden dabei eigentlich zwei Welten verknüpft: die Festkörper- mit der Quantenphysik. Start-Preisträger Sebastian Diehl aus dem Theorie-Team von Peter Zoller schlug ein neues Konzept für einen Quantencomputer vor, in dem etwas genutzt wird, was Experimentalphysiker normalerweise gar nicht mögen.

Gewünschte Unordnung

Es hört auf den schwierigen Namen Dissipation und entsteht zum Beispiel, wenn durch Reibung Wärme erzeugt wird. So kommt Unordnung ins System, und das macht Experimente normalerweise unmöglich. Im internationalen Fachmagazin Nature Physics schrieben Diehl und Kollegen nun, dass man das Problem nützen und bestimmte Quanteneffekte über Dissipation gezielt herstellen und verstärken könnte. Der angenehme Nebeneffekt: Das System ist damit automatisch in der Lage, Störungen auszugleichen, wird damit unempfindlich und kann für den Bau eines störungsunempfindlichen Quantencomputers genutzt werden.

Es ist anzunehmen, dass diese beiden jüngsten Arbeiten in Fachmagazinen nicht die letzten der österreichischen Quantenphysiker-Community im heurigen Jahr waren. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2011)