Ginge es nach Walter Boltz, würden die blauen Fahrscheinstempelautomaten bald der Vergangenheit angehören - im Sinne des Umweltschutzes.

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"Es gibt selten so eine gute Fotomöglichkeit", sagt Walter Boltz, Geschäftsführer von E-Control, bei einer Präsentation von Elektro-Autos, die als große ökologische Zukunftshoffnung gelten. In der Praxis sei eine flächendeckende Nutzung jedoch "in weiter Zukunft". Die Popularität der teuren E-Cars sei in der Bevölkerung noch enden wollend, meint Boltz. Was ihn auch gleich zur aktuellen Tarif-Diskussion der Öffis in Wien einige Argumente anführen lässt: Eine kostenlose Netzkarte für alle Öffentlichen Verkehrsmittel wäre im Moment sinnvoller, um Energie und Autoabgase einzusparen. "Damit soll eine Verhaltensänderung ausgelöst werden, die aufgrund der bisher gesetzten Verkehrsmaßnahmen nicht schnell genug erreicht wird", heißt es in einer Studie der E-Control dazu.

"Es werden sowieso weniger als 30 Prozent der Kosten durch den Verkauf von Tickets getragen. Mehr als 70 Prozent kommen aus dem öffentlichen Bereich", rechnet Boltz vor. Und die Mehrkosten für die privaten Haushalte wären überschaubar, ist er überzeugt. In Photovoltaik würde im Moment schließlich auch investiert und Ökostrom sei am teuersten. Außerdem fielen diverse Nebenkosten im Bereich der Fahrscheine und Fahrscheinkontrolle zusätzlich weg, wenn das Öffi-Ticket gratis wäre.

Billigere Öffis, teurere Autos

Eine denkbare Variante der Finanzierung - um auch die Qualität weiterhin zu gewährleisten - wäre die steuerliche Absetzbarkeit der Netzkarten von Firmen für ihre Mitarbeiter. Walter Boltz streicht aber hervor, dass so ein Konzept nicht radikal umzusetzen ist. In einer ersten Phase könnte es zum Beispiel den Erwerbstätigen in Österreich ermöglicht werden, die Öffis für den Arbeitsweg gratis zu nutzen. "Man kann das natürlich nicht nur als einzelnen Punkt umsetzen, es wäre sinnvoll die kostenlosen Tickets mit einer City-Maut oder Parkgebühren für private PKWs zu verbinden", sagt Boltz. Es sei an der Zeit, dass öffentliche Verkehrsmittel attraktiver werden, als ihre Konkurrenz, das Auto. Dazu zähle auch die Schaffung von verkehrsfreien Zonen, so der E-Control-Geschäftsführer.

Freifahrt in Hasselt

In der flämischen Stadt Hasselt gibt es seit mehr als 14 Jahren keine Schwarzfahrer mehr: Die Busse fahren in und um die Stadt kostenlos. Die Maßnahme setzte der ehemalige Bürgermeister und spätere Minister sowie Parteivorsitzenden der sp.a Steve Stevaert durch. Zunächst meinten Kritiker, der Sozialdemokrat sei entweder ein Kommunist oder verrückt, denn Hasselt war die am höchsten verschuldete Stadt von Flandern. Inzwischen wird das Nahverkehrsprojekt in ganz Europa bestaunt. Denn von 1996 bis 2006 stieg die Zahl der Fahrgäste von täglich durchschnittlich 1.000 auf 12.600. Die Einkaufsstraßen wurden autofrei, die Innenstadt ist heute verkehrsberuhigt.

Das Gratisbusprojekt wurde unter anderem am Anfang auch dadurch finanziert, dass ein geplanter dritter Straßenring um den alten Stadtkern nicht gebaut wurde. Die anderen zwei Ringe waren unter der Woche schon hoffnungslos von Blechlawinen verstopft. Der innere Ring wurde mittlerweile von vier auf zwei Spuren reduziert. Wo früher  Straßenspuren verliefen, ist heute Platz für Bäume, Straßencafes und Radwege. Autofahrer, die nur auf Besuch oder auf der Durchreise sind, können den zweiten Ring benutzen. Es gibt außerdem kostenlose und bewachte Parkplätze, der Bus ist eine kostenlose Alternative für die Fahrt durch die Stadt.

Zersiedelt

In Österreich ist ein Gesamtkonzept für den Öffentlichen Verkehr noch nicht möglich, meint auch Boltz. Es gebe aber Siedlungsgebiete, die soweit "vom Schuss" liegen, dass deren Bewohner auch in 20 Jahren noch auf ihre Autos angewiesen sein werden, kritisiert er. Es sei verabsäumt worden sicherzustellen, dass diese Menschen an ein öffentliches Verkehrsnetz angebunden sind. (Julia Schilly, derStandard.at, 10. Oktober 2011)