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Ein ungewohnter Anblick: Jubelnde österreichische Teamkicker jenseits der Grenzen.

Foto: APA/Jäger

Baku - Es gibt glückliche und überglückliche Menschen. Andreas Ivanschitz zählte am Freitagabend in Baku zur zweiten Kategorie. Es war in der 33. Minute, als der Legionär von Mainz die Arme in die Höhe riss, einen Lauf über den halben Platz startete, ehe er bereit war, die Gratulationen und Kosungen der Kollegen, die er mehr als zweieinhalb Jahre vermissen musste, entgegen zu nehmen.

Er hatte gerade das 1:0 geschossen. Überlegt schob der 27-Jährige den Ball aus rund 13 Metern in die kurze Ecke. In seinem 50. Länderspiel, das ihm Interimstrainer Willi Ruttensteiner geschenkt hat. Weil er einfach zur nationalen Elite gehört. Vorgänger Dietmar Constantini dachte nicht so, aber alte Geschichten ständig aufzuwärmen liegt weder im Interesse von Ivanschitz noch von Constantini. Dem künftigen Teamchef Marcel Koller sind sie auch völlig egal. Und Ivanschitz war nach seinen Taten „erleichtert. Mir fielen Steine vom Herzen. Kompliment an die Mannschaft, Kompliment an Ruttensteiner."

Sagen wir so: Die kleine Dalga Arena, die an die Keine-Sorgen-Arena in Ried erinnert, liegt eher in Baku-Land, also in der Einöde. Schießt man die Fußbälle hoch und weit, landen sie im Kaspischen Meer, vermutlich lösen sie sich dort aufgrund eines chemischen Prozesses spontan auf. Denn der Welt größtes Binnenwasser riecht streng. Abgesehen davon sind die Aserbaidschaner eher an Kampfsportarten wie Ringen interessiert. Derzeit finden in Baku die Weltmeisterschaften im Amateurboxen statt, die männlichen Einwohner versammeln sich vor den Fernsehschirmen und ahmen die Schläge und Schmerzen nach. Das nennt man Schattenboxen. Der Fußball ist also ziemlich egal. Er wird es nach der Niederlage gegen Österreich bleiben.

Das ÖFB-Team nahm vor nicht einmal 5000 Zuschauern auf dem Kunstrasen das Heft in die Hand. Es wurden Zweikämpfe gesucht und gefunden, die von Ruttensteiner geforderte frühe Balleroberung klappte. Hatte man die Kugel, und man hatte sie nahezu ununterbrochen, wurde sie innerhalb der Mannschaft gehalten und weitergegeben, flüssiges Kombinationsspiel heißt das.

Ivanschitz kickte auffällig im linken Mittelfeld, Kapitän Marc Janko mimte die Solospitze, hinter ihm hing Marko Arnautovic. Auch Janko war ein Constantini-Geschädigter, und auch er brachte eine starke Leistung. In der 19. Minute köpfelte Paul Scharner an die Latte, den Abpraller vermochte er nicht zu verwerten, ein Aserbaidschaner rettete auf der Linie. Die Entscheidung ist quasi in der 27. Minute gefallen. Sasha Yunisoglu foulte den durchbrechen Janko, der Schweizer Schiedsrichter Stefan Studer entschied regelkonform auf Torraub und zückte ebenso regelkonform die rote Karte. Ivanschitz erzielte kurz darauf die Führung, danach gab es kleinere Nachlässigkeiten, die Aserbaidschaner kreierten sogar zwei Torchancen.

In der 51. Minute war die Sache gegessen. Janko machte das 2:0 - nach Pass von Ivanschitz. Janko hatte zuletzt im Oktober 2009 beim 1:3 in Frankreich getroffen. In der 62. Minute gab es eine Wiederholung, Janko netzte zum 3:0. Bis zu seinem neunten Teamtor hat der Twente-Legionär deutlich weniger Zeit verstreichen lassen. Ivanschitz durfte in der 73. Minute seine Arbeit beenden, unmittelbar danach verkürzte Vugar Nadirov auf 1:3. David Alaba traf die Latte (77.). Janko ging in der 88. Minute ab, Zlatko Junuzovic erhöhte in der Nachspielzeit auf 4:1. Gegen ihn hatte Constantini übrigens nichts.

Janko sagte: "Ich freue mich über den Sieg, ich freue mich über die Leistung, ich freue mich über meine Tore, ich freue mich für den Andi. Aber es war nur Aserbaidschan." Zuletzt hatte Österreich 2005 auswärts ein Qualifikationsspiel gewonnen (2:0 gegen Wales). Ruttensteiner war rund sechs Jahre später „sehr zufrieden. Wir waren die klar bessere Mannschaft. Für Ivanschitz und Janko war es eine besondere Geschichte, aber ich möchte keinen hervorheben." 

Am Samstag wird nach Astana geflogen, um am 11. Oktober Kasachstan zu schlagen. Julian Baumgartlinger kann sich daran nicht beteiligen, er ist gesperrt. Janko und Ivanschitz sind dabei. (DER STANDARD-Printausgabe, 8.10. 2011)

Fußball-EM-Qualifikation (Gruppe A):
Aserbaidschan - Österreich Endstand 1:4 (0:1). Baku, Dalga Arena, 5.000, SR Stephan Studer (SUI)

Tore: 0:1 (33.) Ivanschitz, 0:2 (51.) Janko, 0:3 (62.) Janko, 1:3 (74.) Nadirov, 1:4 (91.) Junuzovic

Aserbaidschan: Aghajev - Allahverdiyev, Yunisoglu, R. Sadigov I, Budak - Huseynov, Abishov - Ismayilov, R. Sadigov II (46. Amirguliyev), Javadov (58. Nadirov) - Aliyev

Österreich: Grünwald - Dag, Prödl, Dragovic, Fuchs - Scharner, Baumgartlinger - Alaba, Arnautovic (67. Junuzovic), Ivanschitz (73. Royer) - Janko (88. Hosiner)

Rote Karte: Yunisoglu (27./Torraub)

Gelbe Karten: Aliyev bzw. Baumgartlinger (am Dienstag in Kasachstan gesperrt), Alaba