Meine erste Begegnung mit dem österreichischen Film hatte ich in den Vereinigten Staaten, in San Francisco, wo ich Regie studierte und das Art Institute besuchte. Dort entdeckte ich Peter Kubelka, Martin Arnold und Peter Tscherkassky. Die waren spannend, anders, die waren experimentell. Das war 1989; 1991 verbrachte ich dann ein Jahr in Wien, wo ich beim neu gegründeten Sixpackfilm arbeitete. Hier entdeckte ich ganz andere Facetten des österreichischen Films.
Ich begeisterte mich für Wen die Götter lieben von Johannes Holzhausen, bewunderte die Feinheit, den Gefühlsreichtum und die Liebe, die dieser Film ausstrahlte. Ich dachte mir, dieser Film spiegle nicht nur die Schöngeistigkeit seines Regisseurs, sondern auch seines Heimatlandes wieder.
Danach habe ich die Filme von Ulrich Seidl, Michael Haneke, Barbara Albert und anderen gesehen, und da begriff ich, dass diese Liebe der Protagonisten in Wen die Götter lieben einzigartig ist. Im österreichischen Film sind die Personen in meist sehr komplexen Gefühlswelten gefangen, Lieben fällt ihnen nicht leicht, sie leiden große Seelenqualen und fühlen tiefen Hass. Und die Filmemacher erzählen davon, weil sie selbst davon berührt sind, tief berührt.
Manchmal sagt man, österreichische Film seien "feel bad movies", doch sie sind eine künstlerische Aufarbeitung der Seelenlandschaft ihrer Schöpfer. Ich bewundere sie, sie sind wahre Meister in der Über- und Umsetzung ihrer Nöte und ihres Weltschmerzes. Manchmal fällt es mir nicht leicht, mir ihre Filme anzusehen, so realistisch sind sie und so unbarmherzig. Natürlich gibt es da auch Komödien. Aber ich glaube, selbst für Komödien müssen Filmschaffende gegen einen größeren Sog ankämpfen, der sie in die Vergangenheit zieht, Abgründigem entgegen.
So habe ich auch immer besonders gerne die österreichische Seele in der Kronen Zeitung aufgespürt: Tag für Tag ein Boulevardstück. Da habe ich vieles begriffen ... Nathalie Borgers