Richard Schenz (71) ist promovierter Techniker, früherer OMV-Chef und aktueller Vizepräsident der Wirtschaftskammer wie Kapitalmarktbeauftragter.

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Dwora Stein (56), promovierte Psychologin und Pädagogin, ist seit 2005 Bundesgeschäftsführerin der Gewerkschaft der Privatangestellten.

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Michaela Keplinger-Mitterlehner (45) studierte Psychologie, Philosophie und Geschichte. Seit mehr als zwanzig Jahren ist sie im Bankgeschäft, seit 2007 Vorstandsdirektorin der RLB OÖ.

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Standard: Herr Schenz, wie haben Sie Familie und Karriere unter einen Hut gebracht?

Schenz: Es war nicht leicht zu Beginn, wenn man Kinder hat und nicht viel verdient. Meine Frau war Kinderkrankenschwester, ich Sachbearbeiter bei der OMV. Das erste Kind musste in die Kinderkrippe, auch das zweite. Während meine Frau im Nachtdienst war, habe ich die Kinder betreut, und umgekehrt. Dann kam ich in eine Position, in der sie ihren Beruf aufgeben konnte. Keine Frage: Die Familie leidet, macht man Karriere. Es sind abendfüllende Jobs, je höher rauf, desto weniger Zeit bleibt. Man gibt Familienleben auf.

Standard: Frau Keplinger-Mitterlehner, Sie gehören zu den vier Prozent an Frauen, die es in Österreich in den Vorstand schafften. Hat man da manchmal Angst, als Quotenfrau abgekanzelt zu werden?

Keplinger-Mitterlehner: Nein. Mit dieser Angst kann ich leben.

Standard: Muss man sich als Frau bei Raiffeisen mehr anstrengen?

Keplinger-Mitterlehner: Ich weiß nicht, wie schnell meine männlichen Kollegen gerannt sind. Aber ich bin sehr schnell gerannt.

Standard: Frau Stein, hatten Sie in Ihrer Berufslaufbahn je das Gefühl, weniger als Ihre männlichen Kollegen zu verdienen?

Stein: Eigentlich nicht, die Gehälter sind bei uns sehr klar geregelt. Vergleichbare Tätigkeiten werden auch gleich entlohnt.

Standard: Frauen müssen, um auf das gleiche Gehalt zu kommen, im Schnitt jährlich um 89 Tage länger arbeiten. Was machen sie falsch?

Schenz: Die Gründe sind sehr vielschichtig. Es ist die Kinderzeit, die ihnen fehlt. Es sind schlechter bezahlte Berufsbilder, die sie mehrheitlich annehmen. Was mir aber auf die Nerven geht, ist diese Quotendebatte bei den Aufsichtsräten. Man müsste anderswo ansetzen: Frauen sollen die gleiche Karriere machen dürfen wie Männer. Sie sollen nachziehen, von mir aus auch bei den Gehältern. Ich bin jedoch dagegen, zu sagen, wir brauchen 40 Prozent Frauen im Aufsichtsrat - und wenn wir die nicht haben, machen sie einen Kurs.

Standard: Was ist daran schlecht?

Schenz: So kommt man nicht in den Aufsichtsrat, da braucht es Führungserfahrung. Und es hängt von der Branche ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Vorstand der Voestalpine mehrheitlich nur Frauen sitzen. Schauen Sie auf die technischen Universitäten, da studieren wesentlich weniger junge Frauen. Zu meiner Zeit waren von 500 Anfängern drei Mädchen, da hat sich zum Teil nichts geändert.

Stein: Es muss uns bewusst sein, dass der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern gewaltig ist: Er liegt bei 27 Prozent, bei Angestellten bei 41 Prozent. Österreich ist damit fast Schlusslicht in Europa. Und daran sind sicher nicht die Frauen schuld. Die Unterschiede entstehen zu Beginn einer Berufslaufbahn: Frauen werden von vornherein schlechter als Männer eingestuft, Vordienstzeiten nicht entsprechend angerechnet. Frauen haben in vielen Betrieben geringeren Marktwert. Das gilt für alle Branchen. Die Einkommen bei Uni-Absolventen sind bei Frauen unabhängig der Studienrichtung um 20 Prozent geringer - das wird nie mehr aufgeholt, und nach wie vor kommen fast nur Männer in Führungspositionen. Mir geht diese Quotendiskussion auch auf die Nerven, aber aus einem anderen Grund. Ich bin überzeugt, dass wir Quotenregelungen brauchen, für Vorstände, für Geschäftsführer und Aufsichtsräte. Sonst ändert sich nie was. Es gibt nur 28 Frauen in den Vorständen der Topfirmen. Keiner kann mir erzählen, dass es nicht mehr fähige Frauen gibt, die dazu in der Lage sind.

Keplinger-Mitterlehner: Die Ausbildung ist sehr wohl wesentlich. Bei Geisteswissenschaften beträgt der Frauenanteil mehr als 74 Prozent, in der Technik nur 21 Prozent. Berufssparten der unteren Einkommenskategorien verweiblichen: In Schulen etwa unterrichten immer mehr Frauen, kaum Männer, weil das Anfangsgehalt unattraktiv ist. Man sollte, statt Quoten einzuführen, lieber bei der Bewusstseinsbildung ansetzen - mehr Frauen etwa auch für Technik begeistern.

Standard: Aber schließt das Quoten in der Führungsebene aus? Warum wehrt sich die Privatwirtschaft mit Händen und Füßen dagegen?

Schenz: Quoten sind ein Eingriff in persönliches Eigentum. Die Überschrift muss sein: Der oder die Beste sind grade gut genug. Man muss von unten anfangen, und das dauert. Natürlich gibt es viele tüchtige Frauen, die in den Aufsichtsrat kommen, zehn Prozent sind es bereits, es werden jedes Jahr mehr.

Stein: In Österreich gibt es keinen Fortschritt. In den Aufsichtsräten stagniert der Frauenanteil nahezu. Bei Geschäftsführern ist er heuer gesunken. Frauen brauchen keine Kurse. Man muss sie einfach ranlassen an die Führungsjobs.

Schenz: Das hängt von der Branche ab. Aber Sie haben recht, wir Männer sind es noch nicht gewohnt, Frauen in Führungsjobs zu heben. Es wird besser, Sie werden sehen

Stein: Ich glaube nicht.

Schenz: Man wird nicht einen verdienten guten Aufsichtsrat vorzeitig rauskomplimentieren, nur um die Frauenquote zu erhöhen.

Keplinger-Mitterlehner: Ob Frauen in Aufsichtsräte gehören, hängt sicher nicht von der Branche ab. Da- zu befähigen auch geisteswissenschaftliche Studien. Ich sehe aber sehr wohl Bemühen, mehr Frauen zu holen. Eine Quote bewirkt hier nichts: Ob in den Aufsichtsräten 30 oder 40 Prozent Frauen sind, bringt der großen Zahl an Frauen, die Alleinverdienerinnen oder an der Armutsgrenze sind, herzlich wenig. Frauenpolitik sollte Bereiche im Fokus haben, bei denen man viele Frauen fördern kann, bei denen man was im Großen bewirkt. Frauen sind etwa bei Ein-Personen-Unternehmen stark vertreten. Man muss sich überlegen, wie man sie sozial absichert. 44 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit. Flexibilisierung ist gut, aber was heißt das für ihre finanzielle Absicherung? Wir steuern auf große gesellschaftliche Probleme zu.

Stein: Bei der Teilzeit gebe ich Ihnen recht. Frauen gelten immer noch nur als Dazuverdienerinnen. Wir können aber nicht wegdiskutieren, dass Frauen auch in der gleichen Branche weniger verdienen.

Keplinger-Mitterlehner: Hier sollte die neue Einkommenstransparenz eine Lösung bringen.

Stein: Es ändert sich dadurch hoffentlich was. Es geht aber letztlich nicht darum, Einkommensunterschiede zu erklären, sondern sie zu beseitigen.

Schenz: Männer und Frauen in derselben Branche mit gleicher Ausbildung: Da muss das Gehalt das gleiche sein. Dafür brauche ich aber keinen eigenen Kollektivvertrag. Dann müsste ich genauso Sonder-KVs machen, etwa für Invalide.

Standard: Sind Extralohnrunden wirklich das richtige Instrument?

Stein: Die bestehenden Einkommensunterschiede sind so groß, dass es nicht ein paar kleiner Maßnahmen bedarf, sondern außergewöhnlicher Anstrengung. Auf den Stundenlohn bezogen beträgt die Differenz 2,80 Euro, hochgerechnet aufs Arbeitsvolumen sind das 6,5 Milliarden Euro im Jahr. Das sind zwei bis vier Lohnrunden.

Keplinger-Mitterlehner: Ich gewinne Extralohnrunden nichts ab. Man muss sich das von Unternehmen zu Unternehmen ansehen. Es gibt probatere Wege als das Gießkannenprinzip. Besser ist, punktuell jene Frauen zu fördern, die besonders betroffen sind. Und junge Menschen gehören generell motiviert, Führungskräfte werden zu wollen. Das fehlt mir in dieser ganzen Debatte. Es lassen sich schon kaum Männer für die Filialleitung gewinnen, Frauen noch weniger - auch wenn sie höher qualifiziert sind als jeder Mann.

Stein: Ich kenne auch das Gegenteil. Drei Frauen, zwei Männer mit gleicher Qualifikation bewerben sich, keine der Frauen bekommt den Job. Bei den Gehältern ist zum einen der Gesetzgeber gefordert: Es geht etwa um die bessere Anrechnung der Karenzzeiten. Zum anderen müssen die Sozialpartner dafür sorgen, dass bestehende Regeln auch umgesetzt werden. Hilft das alles nichts, wäre eine Sonderlohnrunde ein gutes Instrument, um bestehende Ungleichheit aus der Vergangenheit auszugleichen.

Standard: Was halten Sie von Teilzeit-Chefs? Ist das völlig abstrus?

Schenz: Ja. Frauen, die Karriere gemacht haben, sind überwiegend kinderlos. Aus einem Unternehmen kann man nicht um fünf raus.

Stein: Das bestreite ich. Führungspositionen lassen sich auch anders gestalten.

Schenz: Die erste und zweite Führungsebene lassen sich nicht in Form von Teilzeit abwickeln. Die Konkurrenz ist dermaßen groß - wir werden uns alle noch anschauen und warm anziehen müssen. Man braucht sich nur Asien anzusehen. Gewisse Themen gibt es da nicht. So ist die Welt.

Keplinger-Mitterlehner: Es muss einfach normal sein, dass Männer die Verantwortung für Kindererziehung übernehmen.

Standard: Wie stark sind die berüchtigten Männernetzwerke?

Schenz: Ich sage, sie sind stark. Sonst würden nicht immer die gleichen Männer in den Aufsichtsräten sitzen. Wenn einer in zehn bis 15 ist, stimmt was nicht. (Verena Kainrath, DER STANDARD/Printausgabe 7.10.2011)