Helga Bernold nutzte erst die Aufbruchstimmung in der IT-Branche, jetzt ist sie Bio-Bäuerin: "Anpacken, statt Probleme wälzen.

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Katharina Klausberger hat sich getraut. Vier Mitarbeiter haben die 29-jährige Wienerin und ihre beiden Gründungspartner, diese Woche startete ihr webbasierter Produktfindungs- und -empfehlungsdienst "finderly". Die Wirtschaftswissenschafterin ist eine der wenigen Frauen im Wettbewerb der eben zu Ende gehenden Startup Week in Wien. 50 Jungunternehmer ritterten um Investorenkapital, viele aus der IT-Branche, und Frauen sind hier nach wie vor Exoten. Klausberger ist daran längst gewöhnt. Schon in der HTL war sie eines der wenigen Mädels.

Mit dem internationalen Festival nach amerikanischem Vorbild soll die Gründerszene in Österreich belebt werden. Hierzulande sehe man den Schritt in die Selbstständigkeit "oft mehr als Risiko, denn als Chance", kritisieren die Veranstalter Jürgen Furian und Andreas Tschas. Mangelnde Lust am Risiko und die oft schwere Vereinbarkeit mit der Familie stehen auch Frauen im Weg.

52 Prozent der Gründungen in Österreich erfolgen durch Frauen, belegt die Wirtschaftskammer, es ist ein scheinbarer Boom. Viele technologische Wachstumsbranchen sind nach wie vor fest in Männerhand. Frauen dominieren in klassisch weiblichen Branchen wie Friseur, Kunst, Mode und allgemeinen Dienstleistungen.

Weibliche Business-Angels

Ohne den Bereich Pflege beträgt der Frauenanteil bei Neugründungen 39 Prozent - wie schon 2007. Die Statistik unterscheidet zudem nicht zwischen Existenzgründungen und stark wachstumsorientierten Unternehmen, bei denen der Frauenanteil noch niedriger sein dürfte, sagt Nikolaus Franke, Leiter des Instituts für Entrepreneurship an der WU Wien.

Ein Hebel zur Förderung von Unternehmerinnen seien die Kapitalgeber, also Business-Angels, betont man bei I5Invest, dem Mitorganisator der Startup Week, hinter dem auch weibliche Investoren stehen. Mittlerweile etablierten sich rein auf weiblichen Unternehmergeist spezialisierte Bu- siness Angel Funds, die Frauen zu Gründungen ermutigen wollen.

"Zur Gaudi" gründete die Niederösterreicherin Helga Bernold mit Salzburger Studienkollegen "wap.at", einen der ersten Anbieter für mobile Services in Österreich. Man schrieb das Jahr 1999, Internet auf dem Handy war Neuland, und die Informationswirtschafter nutzten die Aufbruchstimmung. Aus dem privaten Umfeld kam zunächst Skepsis, ob sich das Engagement denn auch lohne. "Im Nachhinein hat's dann jeder gewusst. " Bei max.mobil (heute T-Mobile) wurde das erste WAP-Portal eingerichtet, für Starmania das SMS-Voting entwickelt, schildert Bernold. Nach der Fusion mit anderen Anbietern zum internationalen Entwickler mobiler Services zog sich die heute 34-Jährige, mittlerweile Mutter, aus der IT-Beteiligung zurück. Auf einem Bauernhof aufgewachsen, hielt sie den landwirtschaftlichen Betrieb ihres Mannes für ausbaufähig, stellte auf biodynamische Landwirtschaft um - und investierte ihre Internet-Millionen unter anderem in Weiderinder im Weinviertel.

"Gewisse Unbekümmertheit"

Ihr Mann, zunächst noch Wochenendbauer mit Job in Wien, kam nach Stronsdorf nach, der Spagat zwischen Familie und Beruf gelingt. Bernold: "Bald vier Kinder und 100 Hektar sind echt viel Arbeit, aber im Team geht's."

Gründern empfiehlt die Unternehmerin den Mut zur Einfachheit. Viele würden schon vorher nur Probleme wälzen, anstatt anzupacken. Sie selbst sei mit einer gewissen Unbekümmertheit ans Unternehmertum herangegangen, über Gesellschafterhaftung habe sie bei der ersten Gründung wenig nachgedacht. Gleichzeitig achtete sie bei ihrem Start-up jedoch auf langsames Wachstum ohne Kredite. Alle Einnahmen wurden neben den Förderungen reinvestiert.

In puncto Karriere sieht die IT-Expertin und Neo-Bio-Bäuerin für Frauen keinen Weg vorbei an höherem Selbstbewusstsein. "Ich bin das wert", müsse das Motto bei Gehaltsverhandlungen sein, um Preisdumping entgegenzuwirken, und zwar bei allen Frauen. "Aus falschem Sicherheitsdenken heraus geben sich viele mit weniger zufrieden." Der Unterschied zwischen Telekommunikationsbranche und Landwirtschaft sei im Übrigen gar nicht so groß: "In beiden sind meine Verhandlungspartner meist männlich."(Monika Platzer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.10.2011)