Rektor Heinz Engl - hier in seinem Büro - will verhindern, dass die Uni Wien in der Forschung zurückfällt. Angesichts der wachsenden Konkurrenz ist das für ihn sogar ein ambitionierter Plan.

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STANDARD: Im World University Ranking der britischen Gesellschaft QS landete die Uni Wien zuletzt auf Platz 155. Noch vor vier Jahren war man an 85. Stelle. Wie sehr wurmt Sie dieser Abstieg?

Engl: Wer schlecht abschneidet, sagt immer, dass diese Rankings keine Bedeutung haben. Wer gut abschneidet, lobt die Rankings. Beide haben recht. Rankings spielen einerseits in internationalen Kontakten eine große Rolle. Sie spiegeln aber auch die Betreuungsrelation zwischen Professoren und Studenten wieder. Um da gut abzuschneiden, brauchen wir bei allen Studien ein Betreuungsverhältnis von 1 zu 60 oder 40 je nach Fach und nicht von 1 zu 150. Dass die Betreuung bei uns in manchen Bereichen quantitativ schlecht ist, wissen wir. Das liegt aber an den Rahmenbedingungen. Wir haben zu viele Studierende für zu wenig wissenschaftliches Personal. Da können wir mit unserem Budget nicht mithalten. Trotzdem sind wir in einzelnen Fächern top, das zeigen diese Rankings nicht.

STANDARD: Zweifeln Sie den Wert der Rankings also eher an?

Engl: Den Wert der Rankings zweifle ich nur dann an, wenn ich mir die Situation von Uni und Med-Uni Wien anschaue. Wären wir noch zusammen, würden aber die gleiche Leistung erbringen wie jetzt als getrennte Organisationseinheiten, würden wir eine deutlich bessere Position einnehmen - sowohl die Uni als auch die Med-Uni. Das ist absurd.

STANDARD: Der Ruf nach mehr Geld ist ja bei Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle nicht auf taube Ohren gestoßen. Er hat von einer Milliarde mehr für die Universitäten, verteilt auf drei Jahre, gesprochen. Noch vor kurzem war von einem Einfrieren des Budgets die Rede. Reicht die Milliarde?

Engl: Diese Milliarde - wenn sie kommt - entspannt die Situation und würde ungefähr jener Minimalforderung der Universitätenkonferenz entsprechen, an der er seinerzeit als Rektor der Uni Innsbruck auch selbst mitgearbeitet hat. Entscheidend wird sein, was enthalten ist: Ist es frisches Geld oder ist darin zum Beispiel die Refundierung der Studiengebühren enthalten, die bisher nur bis zum Ende der laufenden Leistungsvereinbarungen garantiert ist.

STANDARD: Kann mehr Geld der Weisheit letzter Schluss sein? Zu welchen Rationalisierungsmaßnahmen ist die Uni Wien bereit?

Engl: Mehr Geld wäre eine Basis, um die Situation nicht zu verschlechtern und die Inflation ausgleichen zu können. Nicht mehr. Um eine nachhaltige Verbesserung zu erreichen, wenn wir zum Beispiel mit der Schweiz mithalten wollen, dann brauchen wir die Töchterle-Milliarde jedes Jahr. Das ist eine Rechnung, die vom Ministerium selbst kommt. Natürlich sind auch die Universitäten gefordert. Wir sind in Wien gut aufgestellt und können sehr flexibel agieren. Früher war es Usus, dass eine Professur, so sie frei wird, auch 1:1 nachbesetzt wird. Heute diskutieren wir über neue Widmungen.

STANDARD: Das kann aber nicht alles sein. Diskutieren Sie innerhalb der Uni nicht auch über die Sinnhaftigkeit von Studienrichtungen, obwohl mit der Töchterle-Milliarde vielleicht jetzt keine unmittelbare Budgetnot besteht?

Engl: Die Budgetnot besteht ab 2013. Im Rahmen des Entwicklungsplans werden wir darüber diskutieren, was wir Neues machen können. Und wenn wir das wollen, werden wir uns logischerweise von Altem verabschieden müssen. Wobei sicher kein Student, der ein Studium begonnen hat, fürchten muss, es nicht mehr beenden zu können.

STANDARD: Österreich ist ein kleines Land und leistet sich viele Unis. Wären Zusammenlegungen von Unis, wie das zum Beispiel in den Niederlanden praktiziert wurde, ausgeschlossen?

Engl: Universitäten haben das vor allem getan, um in den Rankings besser abzuschneiden. Das kann aber kein Grund für eine Zusammenlegung sein. Es muss Vielfalt geben: Ich halte es zum Beispiel für sinnvoll, dass wir Lebenswissenschaften anbieten und die Boku zum Beispiel mit einem anderen Schwerpunkt. Natürlich ist es nicht nötig, manche Studienrichtungen in Österreich an mehreren Orten anzubieten. Die Universität Wien ist jedenfalls groß genug. Hier halte ich eine Zusammenlegung für ausgeschlossen. Aber warum soll man nicht, wie das zum Beispiel die Uni Graz und die TU Graz machen, in den Naturwissenschaften kooperieren? Das kann man aber nicht einfach "top down" verordnen, das entwickelt sich in einem modernen Uni-Betrieb.

STANDARD: Für einen modernen Uni-Betrieb brauchen Sie auch moderne, gut erreichbare Gebäude. Da herrscht Optimierungsbedarf. Welche Pläne gibt es da?

Engl: Es stimmt, da haben wir Probleme. Sie sind aber zum Teil gelöst. Die Chemie bekommt im Zuge von Berufungen neue Labors. Die Wirtschaftswissenschaften aus Floridsdorf ziehen in zwei Jahren mit der Mathematik in ein neues Gebäude an der Rossauer Lände. Informatik und Publizistik ziehen in die Währinger Straße. Das Gebäude der Biologie in der Wiener Althanstraße ist am Ende seines Lebenszyklus. Damit es ab 2015 vernünftige Laborbedingungen gibt, muss renoviert werden, oder die Biologie zieht in ein ganz neues Gebäude. Das kostet beides viel Geld. Eine Renovierung bei laufendem Betrieb ist außerdem schwierig. Ein Umzug wäre denkbar, eventuell zum Vienna Biocenter. Das ist alles aber noch in einem frühen Stadium und wird diskutiert.

STANDARD: Neben modernen Räumlichkeiten werden Sie Top-Wissenschafter wohl auch nur fördern und an die Uni binden können, wenn es die nötigen Rahmenbedingungen gibt. Karrieremodelle, die die Forscher zum Bleiben und nicht zum Weggehen animieren. Was können Sie anbieten?

Engl: Wir bieten schon seit einiger Zeit ein Tenure-Track-System ähnlich dem US-amerikanischen System an. Das sind Laufbahnstellen, die im Wettbewerb vergeben werden. Kürzlich hatten wir in der Physik für zwei Stellen hundert Bewerbungen. Der Hintergrund ist: Wir wollen den Wissenschaftern früh die Chance auf eine Dauerstelle geben. Die Verfahren sind entsprechend kompetitiv. Früher ist nicht selten dann zu einem späten Zeitpunkt eine negative Entscheidung gefallen, wenn es schon zu spät war, woanders eine Stelle zu kriegen.

STANDARD: Werden Ihre Ziele und die Option auf ein wenig mehr Geld, wie jetzt von Minister Töchterle angekündigt, reichen, um als ein erfolgreicher Uni-Rektor in die Geschichte einzugehen? Was wollen Sie erreicht haben, wenn Sie einmal als Rektor wieder abtreten?

Engl: Ich habe die Probleme geschildert. Diese Probleme sollten dann nicht mehr so virulent sein. Wir sollten alle Studenten so betreuen können, wie wir das wollen. Derzeit ist das einigen wenigen, stark nachgefragten Studien nicht möglich. Und wir sollten in der Forschung nicht zurückgefallen sein. Das mag nicht sehr ambitioniert klingen. Aber es gibt in Südostasien und im arabischen Raum Unis, die enorm investieren und damit versuchen, international eine bedeutendere Rolle zu spielen als jetzt. (Peter Illetschko, DER STANDARD, Printausgabe, 5.10.2011)