Peter Boschi (21) leistete seinen Auslandszivildienst in Montreal und Amsterdam.

Foto: privat

In Montreal gehörten Vorträge an Schulen zur Arbeit des Zivildieners.

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Peter Boschi wollte keinen "Dienst an der Waffe" und entschied sich für einen Gedenkdienst. Der Tiroler arbeitete in Kanada bei der „Kleinmann Family Foundation" und verwaltete dort das Archiv oder referierte in Schulen zum Thema "Propaganda und Holocaust". In Amsterdam engagierte er sich für die NGO "United" gegen Rassismus. daStandard.at gewährt er einen Einblick in den Alltag seines Lebens als Auslandszivildiener.

daStandard.at: Warum haben Sie sich entschieden Ihren Auslandszivildienst in Montreal und Amsterdam anzutreten?

Peter Boschi: Aus idealistischen Gründen entschied ich mich schon sehr früh gegen einen "Dienst an der Waffe" und empfand die Möglichkeit einen Gedenkdienst - und somit Verantwortung über die Vergangenheit Österreichs zu übernehmen - als sinnvolle Pflicht. Ich wollte auf jeden Fall die Möglichkeit genießen in zwei internationalen Städten zu leben und zwei Arbeitsplätze im Ausland kennenzulernen.

daStandard.at: Worin unterscheidet sich der Alltag dort zum Alltag in Innsbruck?

Boschi: Man kann das nicht so ganz vergleichen. Die Internationalität meines Freundeskreises in Montreal zum Beispiel hat meinen Alltag sehr geprägt, die hatte ich nicht in Innsbruck. Diese Vielfalt hat mich schon sehr angeregt und inspiriert das Leben aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. Im Ausland befand ich mich sozusagen in einem Ausnahmezustand.

daStandard.at: In Amsterdam leben Menschen aus 178 Ländern, in Montreal gehört jeder vierte Bewohner einer ethnischen Minderheit an. Wie war es für Sie plötzlich in so multikulturellen Städten zu leben?

Boschi: Für mich war es sehr erfreulich. Man bekommt ständig neue Impulse und es findet ein Austausch statt. Zum Beispiel habe ich in Montreal an Schulen Präsentationen gehalten und gesehen, dass die Schüler Wurzeln in sehr vielen verschiedenen Kulturen haben. Diese Internationalität vermisse ich hier in meinem Leben in Innsbruck.

daStandard.at: Wie funktioniert das Zusammenleben der Menschen in diesen Städten, Ihrer Meinung nach?

Boschi: Ich hatte in Holland sehr wenig Kontakt zu den Einheimischen. Sie waren bei Weitem nicht so offen wie die Kanadier. In Montreal haben sich die Leute sehr gefreut, dass ein Österreicher in ihre Stadt gezogen ist. Alles in Allem empfand ich die Montrealer als offener und kontaktfreudiger.

daStandard.at: Worin unterscheidet sich der Umgang mit Einwanderern in Kanada und Österreich?

Boschi: Ich denke, Kanada hat verstanden, dass Einwanderer eine ökonomische und kulturelle Bereicherung des eigenen Landes sind. Österreich sieht primär Probleme beim Thema „Einwanderung". Es ist Aufgabe der Politik in Österreich, das Potential der Migranten zu nützen.

daStandard.at: Hatten Sie auch Schattenseiten in der Vielfalt erlebt?

Boschi: Für mich ist Vielfalt das Schöne im Leben, ich wollte in diesem internationalen Kreis sein. Ich empfand es auch als erstaunlich mitzuerleben, dass mein „bunter" Freundeskreis in Montreal schlussendlich über die gleichen Sachen diskutierte und die gleichen Probleme hatte wie mein Tiroler Freundeskreis in Innsbruck.

daStandard.at: Die politische Stimmung in Holland hat sich in den letzten Jahren teilweise gewandelt. Geert Wilders ist erfolgreich, es wurden strenge Einwanderungsgesetze beschlossen. Haben Sie diesen Mentalitätswechsel bemerkt?

Boschi: Natürlich. Es wird sehr viel über Geert Wilders gesprochen, in der NGO-Szene wird viel demonstriert. Ich denke aber, dass dieser Rechtsruck kein holländisches Phänomen, sondern pan-europäisch ist. Wilders ist populistisch und bietet radikale Lösungen für komplexe Probleme an.

daStandard.at: In Kanada sind rechtspopulistische Parteien nicht so erfolgreich wie in Europa. Woran liegt das, Ihrer Meinung nach?

Boschi: Ich denke, dass das Sicherheitsdenken in Europa ausgeprägter ist. Innsbruck ist eine Art Sicherheitsoase, in der man geschützt ist. Vielleicht haben die Leute Angst, dass dies durch vermehrten Zuzug des Unbekannten gestört werden könnte. Es gibt aber in Kanada schon auch rechte Parteien, das Land ist nicht so liberal wie viele hierzulande denken. Die Menschen sind liberaler als in Österreich, die Politik nicht unbedingt.

daStandard.at: Wie hat Sie Ihr Jahr Auslandszivildienst persönlich verändert?

Boschi: Es war für mich das erste Mal, dass ich länger im Ausland war. Wie bereits mehrfach erwähnt, steigerte die Erfahrung in Montreal und Amsterdam die Lust ein „internationales Leben zu führen". Ich bin weltoffener, neugieriger geworden und es hat meine Persönlichkeitsentwicklung stark gefördert. In Österreich nervt mich die Politikverdrossenheit, allerdings schätze ich das Land sehr und bin froh in Österreich zuhause zu sein. Viel zu sehr diskutiert man aber über Probleme, die eigentlich gar keine sind. Das ganze Theater um zweisprachige Ortstafeln zum Beispiel kann ich nicht nachvollziehen.

daStandard.at: In welcher der drei Städte - Innsbruck, Montreal, Amsterdam - würden Sie in Zukunft am liebsten leben?

Boschi: Montreal ist sicher eine der lebenswertesten Städte der Welt und bietet sehr viel. In Amsterdam war mir ehrlich gesagt das Wetter zu deprimierend, wobei ich das Flair der Stadt sehr genossen habe. Nach meiner Rückkehr wurde mir auch richtig bewusst, wie schön Innsbruck ist, ich lernte meine Heimat wahrhaft zu schätzen. Lebt man in einer neuen Stadt, wirkt anfänglich alles neu und aufregend, leider wird aber auch alles schnell zur Normalität.