Foto: Capitol

R.E.M. haben sich also aufgelöst. Das schmerzt mich persönlich nicht sehr, denn was mir an R.E.M. immer gefallen hat, damit versorgte mich die Band schon lange nicht mehr. Es war die Mischung aus Lockerheit und Schwere, die sie in ihrem Frühwerk mit dem Selbstverständnis einer Handschrifft zuwege brachten, die sich später jedoch an die (Schmerz-)grenze der Betulichkeit zubewegte, nur noch bemüht wirkte und an sich selbst zu verzweifeln schien.

Wenn man sich jetzt manche Postings in diversen Foren durchliest, so wirkt es stellenweise, als hätte mit R.E.M. irgendein Feindbild endlich Einsicht gezeigt und aufgegeben. Gut, viel Feind, viel Ehr heißt es ja. Dennoch: Bei aller Fadesse, die das Spätwerk (mit einigen Ausreißern) charakterisierte, war mir die Band immer sympathisch.

Das liegt natürlich an der privaten Sozialisierung, in der R.E.M. einmal wie selbstverständlich neben Bands wie Hüsker Dü, Sonic Youth, Wall Of Voodoo, Camper van Beethoven, The Go-Betweens oder den Violent Femmes gestanden sind. Die Liste wäre noch erweiterbar, aber ich erspare mir weiteres Namedropping. Ich möchte an dieser Stelle nur kurz Selbstquälung betreiben, und mich dafür bemitleiden, dass ich 1987 nicht nach München gefahren bin, wo R.E.M. zusammen mit den Go-Betweens gespielt haben: Dream team.

Ihre Bedeutung für die Alternative Music – als diese noch eine solche war – streicht auch Michael Azzerad in seinem Buch "Our Band Could Be Your Life" hervor. Er schreibt im Vorwort zu dieser Bibel des US-Undergounds der 1980er-Jahre, dass R.E.M. nur deshalb nicht vorkommen würden, weil er es mit der Underground-Zuschreibung ganz genau nehmen würde und das IRS-Label, auf dem R.E.M.s Frühwerk erschienen war, ein Ableger des Majors Warner war.

Mein R.E.M.-Favorit ist bis heute "Document" – das klang damals schon, als wäre es ein Greatest-Hits-Album samt Wire-Cover-Version und Country-Rock-Touch und mit Weltummern wie "The One I Love", "Finest Worksong", "Its The End Of The World As We Know It (...)", "Lighnin Hopkins" und und und.

Dann kam der Major-Deal, und "Green" fand ich total okay, ja ich mochte – bis auf das dämliche – "Shiny Happy People" auch "Out Of Time" – selbst wenn "Losing My Religion" natürlich totgespielt ist. Im selben Jahr als Sonic Youth Chuck D von Public Enemy als Gastrpper auf "Goo" eigeladen hatten war KRS-One von der Boogie Down Production Gast bei R.E.M., für "Radio Song" – noch so ein Indiz dafür, dass R.E.M. lange Zeit richtig gut unterwegs waren.

Dann folgte "Automatic ..." das viele Leute lieben, zu mir hat das aber nicht gesprochen, ich fand "New Adventures in Hi-Fi" noch sehr schön, dann begann für mich das Spätwerk, das Bemühte, die Orientierungslosigkeit, die Selbstzerfleischung von Stipe und das artsy-fartsy-Gehabe, das sich in sehr mittelmäßiger Musik niederschlug – mit Tastemann Ken Stringfellow als Grabschaufler.

Hier am Ende noch ein popeliges Video zu einer Weltnummer samt der Bitte, nicht in fünf Jahren mit der Reunion-Tournee daherzukommen, danke.

(Karl Fluch, derstandard.at, 22.9.2011)