Ein Kanzler und seine Bahn: Die SPÖ will die ÖBB-Affäre nicht im U-Ausschuss behandeln, die ÖVP will dafür nun einen eigenen.

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Das Papierl können die sich irgendwo hinstecken!": Peter Pilz ist auf 180 - dabei haben die Verhandlungen zwischen den fünf Fraktionen zum anstehenden U-Ausschuss zu den diversen Korruptionsaffären noch gar nicht offiziell begonnen. Was den Grünen so in Rage bringt: "Das Papierl" ist der gemeinsame Vorschlag zu den Untersuchungsgegenständen, den SPÖ und ÖVP nächsten Mittwoch gemeinsam der Opposition unterbreiten wollten. Wollten, wohlgemerkt.

Denn Blaue, Orange wie Grüne werden den von der Koalition verordneten Termin platzen lassen. "Ein Untersuchungsausschuss ist Angelegenheit des Parlaments und nicht der Regierung!", schimpft Pilz. "Wir sind nächsten Mittwoch auf Klausur, seit drei Monaten ist das eingetragen", echauffiert sich BZÖ-Sprecher Heimo Lepuschitz, "so eine Vorgangsweise hat es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben!" Und FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sagt: "Wir wollen einen Termin haben, so rasch wie möglich, und einen U-Ausschuss, so umfassend wie möglich!"

Aus Protest laden die Grünen daher noch in dieser Woche zu einer U-Ausschuss-Besprechung. Kommen SPÖ und ÖVP nicht, gebe es "große Probleme", prophezeit Pilz.

Verdächtige Terminprobleme

Hintergrund der vordergründigen Terminstreiterei: Die Opposition vermutet eine Absprache zwischen den Koalitionsparteien, dass just jene Vorwürfe, die für Rot und Schwarz heikel werden könnten, im Untersuchungsgremium nicht beleuchtet werden sollen. Im Fall der SPÖ wären dies die ÖBB-Inseratenvergabe unter Werner Faymann als Infrastrukturminister. Die ÖVP wiederum könnte wohl gut und gerne gleich auf mehrere Causen, etwa den Verkauf der Bundeswohnungen (Buwog), verzichten.

Am Mittwochvormittag war von der neuen koalitionären Eintracht im Parlament allerdings nicht viel zu sehen: Da verlangte ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf vom gerade in New York weilenden Kanzler "eine saubere Erklärung" im Hohen Haus zu dessen ÖBB-Inseraten. Kopf: "Am schlimmsten ist es, dass dieser Skandal die oberste Spitze unserer Bundesregierung erreicht hat!" Dazu unterstellte er Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (ebenfalls SPÖ) eine "parteipolitische Schlagseite" in der Causa Faymann. Kopf kann sich jedenfalls schon längst eine eigene Untersuchung zu den roten PR-Maßnahmen in Sachen ÖBB vorstellen, wie er betonte - und zwar in einem eigenen U-Ausschuss.

SPÖ-Klubchef Josef Cap verteidigte das Inserieren Faymanns in den auflagenstarken Boulevardmedien. Er sei "Vertreter der Marktwirtschaft" und dagegen, Inserate "planwirtschaftlich zu verteilen". Bei Kopf revanchierte sich Cap, indem er seinem schwarzen Pendant vorhielt, dass es mittlerweile Korruptionsvorwürfe gegen die halbe Regierungsmannschaft unter Schwarz-Blau gebe.

Krause Verschwörungstheorie

Im Gegensatz zur SPÖ, die nun nur den Vorwürfen rund um den Komplex Telekom nachgehen will, bestehen alle drei Oppositionsparteien auf die parlamentarische Untersuchung aller jüngst publik gewordenen Korruptionsaffären: Neben Telekom und Buwog bedeutet dies also auch die Neuvergabe des Blaulichtfunks, die Staatsbürgerschaftskäufe, Lockerung des Glücksspielmonopols und eben die ÖBB-Inserate. Blau, Orange und Grün einigten sich noch am Mittwoch auf eine Vorgangsweise im Nationalrat und einen gemeinsamen U-Ausschuss-Antrag, der freilich keine Aussicht auf eine Mehrheit hatte.

Mittlerweile kursiert im Parlament auch schon die eine oder andere Verschwörungstheorie zu möglichen Neuwahlen: Die ÖVP, so heißt es, wolle sich einen Untersuchungsausschuss zu den ÖBB-Inseraten aufheben - und zwar bis kurz vor den nächsten Urnengang. (Saskia Jungnikl, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 22.9.2011)