Alexander Sokurow

Foto: La Biennale di Venezia

Am 8. September hat beim Filmfestival in Venedig die Faust-Adaption von Alexander Sokurow Premiere. Nach den letzten Arbeiten des russischen Regisseurs lässt sich schwer vorhersagen, inwiefern seine Bearbeitung des alten Stoffs vom Mann, der einen Teufelspakt schließt, eher prätentiöses Kunstgewerbe oder visionäres Autorenkino sein wird. Dass der Regisseur, der vielfach als Nachfolger von Tarkowski gesehen wird und für den sich Susan Sontag immer wieder stark gemacht hat, insgesamt vor allem auch mit seinem hochinteressanten früheren Werk noch immer weitgehend unbekannt ist, ist allerdings unverdient.

Deswegen geben wir hier eine kleine Orientierung in Form von Hinweisen auf DVDs, mit denen man sich diesem schwierigen Meister nähern kann.

SPIRITUAL VOICES (1995)

Dieser fünfteilige, fast sechsstündige Dokumentarfilm über russische Soldaten an der Grenze zu Tadjikistan und Afghanistan erschließt sehr gut die ästhetischen Prinzipien von Sokurow: Lange Einstellungen häufiger verwaschener Bilder werden aus dem Off durch Stimme und Ton markiert. Sein Dokumentarismus ist immer subjektiv und essayistisch gebrochen, und mit dieser Haltung untersucht er hier, was sich an den Grenzen des russischen Imperiums über dessen Innerstes herausfinden lässt - es ist leer. (DVD bei www.ideale-audience.com)

DAYS OF THE ECLIPSE (1988)

Nominell handelt es sich hier um einen Science-Fiction-Film, eine sehr freie Adaption des Romans Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang. Auch hier ging Sokurow an die Peripherie, gedreht wurde in Turkmenistan, wo ein idealistischer Arzt in einer apathischen Dorfgemeinschaft nach dem Rechten sieht. Der Film wurde nicht zuletzt dadurch berühmt, dass Fredric Jameson ihm in The Geopolitical Aesthetic ein ganzes Kapitel gewidmet hat. Hier findet sich zur Einführung ein guter Text zu dieser mit Spiritual Voices eng verwandten Allegorie auf ein sterbendes Imperium. (Auf DVD ist nur eine russische Originalfassung zu finden, Untertiteldateien im Netz sind verfügbar.)

THE SECOND CIRCLE (1990)

Von Days of the Eclipse durch das Datum 1989 und durch ein paar andere Daten getrennt, gibt es doch eine Menge Gemeinsamkeiten - zum Beispiel den Namen der Hauptfigur, Malyanov, der aber von einem anderen Schauspieler gespielt wird. Er kommt in ein sibirisches Dorf, um seinen toten Vater zu begraben und sich um dessen Verlassenschaft zu kümmern. "Tag und Nacht, Leben und Nichtexistenz sind kaum unterscheidbar." (Alexander Sokurow) (DVD in den USA bei Kino Video www.kino.com)

SONATA FOR VIOLA (1981/1986)

Ein für die Verhältnisse von Sokurow relativ orthodoxer Dokumentarfilm über den Komponisten Dimitri Schostakowitsch, der 1981 entstand und bis 1986 in der Sowjetunion verboten war. Das Drama eines Künstlers in einem totalitären Regime   wird so auch zu einer Gegengeschichte, deren Zeugnisse Sokurow aus den Archiven holte, in die sie der KGB verbannt hatte. (Für die DVD-Ausgabe wurden Bild und Ton aufwändig restauriert.)

Zu den DVD-Editionen bei Ideale Audience:  Bei den neueren Titel (von Russian Ark bis Die Sonne) sieht es mit der Verfügbarkeit auf DVD deutlich besser aus, insgesamt aber bleiben nach wie vor entscheidende Desiderate: Whispering Pages (eine Dostojewski-Bearbeitung), Der Stein (nach Tschechow), Russian Elegy. Für einen Überblick siehe die offizielle Webseite von Alexander Sokurow.