Ein Nationalratsabgeordneter wird Aufsichtsratsvorsitzender bei einem privaten Glückspielkonzern. Er meldete das dem Unvereinbarkeits-Ausschuss. Allein, dieser meldet dem Bürger nichts. Denn, ob etwas genehmigt wird oder nicht, ist streng geheim. Damit wird der Ausschuss zum Feigenblatt-Instrument für Politiker-PR.

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Die Medienberichte der vergangenen Wochen legen nahe, dass ein Ausschuss des Parlaments besonders viel zu tun haben muss: der sogenannte Unvereinbarkeitsausschuss. Der soll nämlich eigentlich darüber entscheiden, ob eine Neben-Tätigkeit von Regierungsmitgliedern oder Abgeordneten mit dem Politiker-Job unvereinbar sind. Das klingt gut - und wiegt den Bürger in Sicherheit, dass alles mit (ge)rechten Dingen zugeht.

Günter Stummvoll ist einer dieser Abgeordneten: Er ist ÖVP-Finanzsprecher, nach Eigendefinition der "beste Redner des Parlaments" - und er hat das brandneue Glückspielgesetz maßgeblich mitverhandelt. Nun wird er Aufsichtsratsvorsitzender von Frank Stronachs privatem Glückspielkonzern Merkur.

"Liegt für den ÖVP-Abgeordneten und Chef des Finanzausschusses des Nationalrats nicht eine Unvereinbarkeit vor?", fragte Die Presse. "Ich habe heute meine neue Funktion dem Unvereinbarkeitsausschuss gemeldet und nehme jede Entscheidung zur Kenntnis." 

Allein: "Er" nimmt die Entscheidung zur Kenntnis. Will man auch als Bürger Kenntnis davon erlangen wie die Sache ausgeht, ist man dabei allein auf die Gnade Stummvolls angewiesen, ob er es einem sagen will oder nicht.

Denn: Wie der Unvereinbarkeitsausschuss urteilt ist in diesem Fall streng geheim.
Und nicht nur das. Geheim ist generell...
- welche Fälle dem Unvereinbarkeitsausschuss gemeldet werden,
- welche davon als okay beurteilt werden,
- welche Fälle als nicht okay beurteilt werden, ja sogar...
- wie viele Fälle überhaupt gemeldet wurden und...
- um welche Arten von Fällen es dabei geht.

All das dürfen Österreichs Bürger nicht wissen.

Wissen dürfen es nur jene Abgeordneten, die dem Unvereinbarkeitsausschuss angehören und eine dort fest gelegte Liste von Klubsekretären der Parlamentsparteien - und diese eigentlich nicht drüber reden. Denn wozu sonst die Vertraulichkeit.
Klickt man sich auf der Parlaments-Seite des Unvereinbarkeitsausschusses durch die Bereiche erfährt man... 

- unter „Berichte": dass es „Keine Ausschussberichte" gibt
- unter „Verhandlungsgegenstände", dass es „Keine unerledigten Verhandlungsgegenstände" gibt
- und unter „Sitzungsüberblicke" nach einem Klick auf die „Tagesordnung", dass eine „Beratung über im Sinne des Unvereinbarkeitsgesetzes abgegebene Meldungen" stattfindet.
That's it.

Fragt man den Ausschuss-Vorsitzenden, FPÖ-Abgeordneten Harald Stefan, warum das so ist, sagt dieser (nach Rückfrage durch seinen Mitarbeiter): "Das ist aus Datenschützgründen so, das steht im Unvereinbarkeitsgesetz."

Interessanter Weise sagen die mit der Administration dieser Regelung befassten Mitarbeiter des Parlaments ganz anderes. Nämlich: Dass der Ausschuss am Beginn jeder Legislaturperiode die Geheimhaltung dieser Informationen erst beschließt. Und dass dies zum Teil zwar mit "personenbezogenen Daten" begründet ist, zum anderen aber damit, dass immer wieder Zeitungen über die Fälle des Unvereinbarkeitsausschuss berichtet (!) hätten. Und dass dies immer wieder zu "Missverständnissen" geführt hätte, weshalb sich der Ausschuss der darauf geeinigt habe, nichts mehr zu veröffentlichen. (Was nebenbei die Frage aufwirft, ob der Ausschussvorsitzende das Gesetz nicht kennt.) Selbst dass dies für den Bürger "sehr intransparent" ist, wird bestätigt. 

Im Übrigen, und das nur am Rande, hat der Ausschuss durch das Unvereinbarkeitsgesetz de facto kaum Möglichkeiten Engagements von Abgeordneten wie jenes von Stummvoll zu untersagen.

Denn das Engagement eines Mitverhandlers des Glücksspielgesetzes als oberstem Aufsichtsrat eines privaten Glückspielanbieters dürfte davon gar nicht erfasst sein.

Damit dienen Politikersätze wie "Ich habe heute meine neue Funktion dem Unvereinbarkeitsausschuss gemeldet" als wunderschöne PR-Floskel - und der Unvereinbarkeitsausschuss als Feigenblatt-Instrument solcher Inszenierung. Solang die davon betroffenen Politiker ihr eigenes Gesetz nicht ändern, wird das leider auch so bleiben.

Dass Günter Stummvoll mit Worten umzugehen weiß, hat der "beste Redner des Parlaments" damit wieder bewiesen. Dass er - auch wenn das Vorgehen gesetzeskonform sein mag - den semantischen Unterschied zwischen "widerrechtlich" und "verheerender Optik" kennt, darf ihm ebenfalls unterstellt werden. (derStandard.at, 6.9.2011)