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Als "embedded journalist" unterwegs in Vietnam: Michael Caine gerät als britischer Korrespondent Thomas Fowler an einen "Stillen Amerikaner".

Foto: Constantin
Ein brisantes Spiel um den unschuldigen Anschein und seine verborgene Kehrseite: Dem Australier Phillip Noyce ist mit hervorragenden Darstellern eine solide Leinwandadaption von Graham Greenes Roman "Der stille Amerikaner" gelungen.


Wien - Ein nächtlicher Panoramablick auf eine kleine Bucht: Ganz hinten im Bild explodieren Leuchtkörper am Himmel, doch es dauert seine Zeit, bis die Off-Stimme die Aufmerksamkeit darauf lenkt, und auch dann könnte man noch glauben, dass es sich um ein harmloses Feuerwerk handelt.

Das Spannungsverhältnis zwischen Sichtbarkeit, bloßem Anschein und tatsächlicher Bedeutung, das in den ersten Bildern buchstäblich aufblitzt, markiert bereits ein wesentliches Motiv des Films:

Der stille Amerikaner erzählt, basierend auf Graham Greenes gleichnamigem Roman, nur vordergründig eine Dreiecksgeschichte. Der Brite Thomas Fowler (Michael Caine) lebt Anfang der 50er-Jahre als Zeitungskorrespondent in Saigon. Die Franzosen liefern sich kleine Scharmützel mit den Kommunisten. Fowler sieht sich als neutraler Beobachter des Geschehens. Mit seiner vietnamesischen Geliebten Phuong (Do Hai Yen) hat er sich, ungeachtet der äußeren Ereignisse, ein mehr oder weniger beschauliches Leben eingerichtet.

Mit dem Tag, als er Phuong seinen neuen Bekannten, einen jungen US-Amerikaner namens Alden Pyle (Brendan Fraser) vorstellt, wird dieser Alltag langsam brüchig: Pyle eröffnet bald darauf das Kräftemessen unter Männern, indem er Phuong einen Antrag macht - und der bereits verheiratete Fowler droht, ins Hintertreffen zu geraten.

Pyle gibt sich dabei immer gutwillig, aber etwas unbedarft und linkisch - nicht nur was seine Kenntnis von Land und Leuten betrifft, sondern ganz allgemein im sozialen Umgang. Brendan Fraser, nicht eben für darstellerischen Tiefgang berühmt, erscheint als Idealbesetzung für diesen "stillen Amerikaner", dem er vor allem physisch Präsenz verleiht.

Ihm gegenüber agiert Caine souverän als nuancierter Altmeister, der seine kleinen Finten und Attacken zunächst verbal platziert und das Moment größerer Lebenserfahrung ausspielt, das schließlich auch den Zweikampf der Männer mitentscheiden wird.

Hinter der Fassade

Ganz allmählich arbeitet der Film heraus, was auch Fowler erst mit der Zeit erkennt - dass sich hinter der Fassade vom liebeskranken Entwicklungshelfer der eigentliche Vertreter US-amerikanischer Interessen verbirgt: Pyle arbeitet längst an der Installierung einer "dritten Kraft" im Lande und fungiert unter anderem als Drahtzieher eines blutigen Anschlags. Der Konkurrenzkampf um Phoung verzahnt sich - in durchaus beabsichtigter, wenn auch nicht unbedingt origineller allegorischer Weise - mit weltpolitischen Zusammenhängen, mit US-amerikanischer Interventionspolitik.

Der Australier Phillip Noyce inszeniert seine Adaption der Romanvorlage (nach jener von Joseph L. Mankiewicz ist es die zweite) jedoch als im besten Sinne altmodisches Schauspielerkino. Abgesehen von der unpassenden Off-Musik und der manchmal allzu manierierten visuellen Umsetzung durch Kameramann Christopher Doyle ist Der stille Amerikaner vor allem eine Bühne für seinen großartigen Hauptdarsteller Caine.

Im Gefolge von 9/11 wurde der Film von Miramax übrigens auf Eis gelegt und mit einjähriger Verspätung schließlich vergangenen November in den USA gestartet. Dass er bei uns erst jetzt in die Kinos kommt, macht ihn - nach Ende des Irakkriegs - um nichts weniger interessant. (DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.5.2003)