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Ein Schreckzustand - auch psychischer Schock genannt - tritt dann ein, wenn unser Gehirn kurzfristig von einer Situation überfordert ist.

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Bei jedem Notfallpatienten sind bis zum Eintreffen der Rettung einfache Basismaßnahmen durchzuführen. Diese zielen darauf ab, die lebenswichtigen Körperfunktionen zu begünstigen und aufrechtzuerhalten und so einen gefährlichen Schockzustand zu vermeiden. 

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"Oft heißt es in den Medien: 'Der Unfallzeuge steht unter Schock und kann noch nicht befragt werden.' In Wirklichkeit handelt es sich fast immer um einen Schreckzustand und nicht um einen Schock", differenziert Frido Schrott, Sanitäter und Lehrbeauftragter im Ausbildungszentrum des Wiener Roten Kreuzes.

Schock

Ein Schock ist eine schwere Störung der Kreislauffunktion, etwa durch starken Blutverlust, schwere Verletzungen, ausgedehnte Verbrennungen, Vergiftungen, schwere Allergien oder Herzrhythmusstörungen. Es kommt zu einer Unterversorgung der lebenswichtigen Organe mit Blut und damit zu einer ungenügenden Sauerstoffversorgung, die in Folge zum Tod führen kann. Der Schock führt rasch zu einer Bedrohung des Lebens.

Schreck

Ein Schreckzustand – auch psychischer Schock genannt – tritt dagegen dann ein, wenn unser Gehirn kurzfristig von der Situation überfordert ist. "Wir alle fallen viel öfter in einen Schreckzustand als wir denken. Es genügt manchmal schon, wenn ein Berg Arbeit auf uns zu kommt und wir nicht wissen, wie wir ihn bewältigen sollen", weiß Schrott.

"Eine Erklärung für Laien: Bei einem Schreckzustand werden mehrere Stoffe ausgeschüttet, vor allem Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol. Bei der Adrenalinausschüttung ziehen sich die Gefäße zusammen, Blutdruck, Puls und Atemfrequenz erhöhen sich. So wird mehr Sauerstoff in die Muskeln transportiert. In die Beinmuskeln, damit man schneller laufen kann, in die Armmuskeln, damit man stärker ist bei einem Kampf. Nicht zuletzt in das Gehirn, damit man fokussiert ist, auf die Sache, von der man glaubt, dass sie gerade am wichtigsten ist. Das kann zu einem Problem werden, weil wir uns diesbezüglich irren können: Zwei Autos fahren zusammen, das Ergebnis ist ein Blechschaden. Eine Person sitzt im Auto und starrt vor sich hin. Die andere Person steigt aus und schreit die Person im Auto an. Ihr Tunnelblick ist dabei auf das Auto zentriert. Dadurch nimmt sie den LKW nicht wahr, der von rechts kommt..."

Noradrenalin schaltet Schmerz aus

Die Funktion von Noradrenalin ist, den Schmerz auszuschalten. "Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, bei mir ist es immer so: Der Zahnarzt sagt: Setzen Sie sich in den Stuhl. Dann geht er für fünf Minuten in den Nebenraum", erzählt der Lehrbeauftragte seinen KursteilnehmerInnen. "Diese fünf Minuten sieht man sich mit sämtlichen Instrumenten konfrontiert und wenn der Noradrenalin- und der Adrenalinpegel hoch genug sind, kommt der Zahnarzt vorbei und fragt: Na, welcher tut denn weh? Und ich sage: Keiner! Weil ich dank Noradrenalin keinen Schmerz mehr verspüre. Bevor ich dank Adrenalin aufspringen und weglaufen kann, steht der Zahnarzt schon mit diesem silbernen Haken in der Hand über mir. Da kann ich noch so viel Noradrenalin ausschütten, das Loch im Zahn tut einfach weh."

Trotz Schreck Leben retten

Das menschliche Gehirn kann man ganz grob in drei Teile gliedern. Schrott: "Das Großhirn ist zuständig für Bewusstsein, Denken, Fühlen und Handeln. Im Kleinhirn dreht sich alles um Bewegung und Koordination. Das Stammhirn – auch Reptiliengehirn genannt – ist zuständig für alles, was für die Arterhaltung wichtig ist wie Reflexe, Ernährungstrieb, Atmung oder Fortpflanzung. Bei einem Schreck schaltet sich das Großhirn ab. Das Wissen darum ist sehr relevant für die Lebensrettung", gibt der Sanitäter seinen KursteilnehmerInnen mit auf den Weg, "denn wenn ihr Erste Hilfe leisten müsst, dann wird euer Großhirn nicht da sein. Das ist auch bei mir der Fall. Es gibt drei Möglichkeiten, wie sich der damit verbundene Schreckzustand äußert: Erstarren, Fliehen oder Hingehen. Es gibt zurzeit nur einen Unterschied zwischen euch und mir: Ich gehe auch mit einem Blackout zur Unfallstelle. Und hoffe, das Beste zu tun. Nach dem Kurs werdet ihr das auch machen, und es gibt keine Ausreden mehr wie 'jemand anderer kann besser Erste Hilfe leisten als ich'."

Mythos: Jemand anderer kann besser Erste Hilfe leisten als ich

"Wer kann es besser? Der, der früher hingegangen ist! Die Ausrede, dass da schon jemand anderer hilft, ist nicht brauchbar, denn auch der Helfer kann Hilfe gebrauchen. Dahinter steht die Angst, etwas falsch zu machen. Kann ich bei der ersten Hilfe etwas falsch machen? Wenn ich nach bestem Wissen und Gewissen handle, nein", schließt der Wiener Rotkreuz-Sanitäter seinen zehnten Teil der Mythen der Lebensrettung. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 06.09.2011)

Allgemeine Maßnahmen bei jedem Verletzten oder Erkrankten:

• Rasche Blutstillung

• Notruf 144 wählen!

• Wundversorgung (z.B. Druckverband oder Wasseranwendung bei Verbrennungen und Verätzungen)

• Lagerung – dem Zustand des Verletzten entsprechend möglichst schmerzfrei

• Zudecken des Verletzten

• Frischluftzufuhr in geschlossenen Räumen

• Für Ruhe sorgen/beruhigen