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"Das konzentrierte Know-How wird dazu führen, dass diese Fälle wesentlich konzentrierter bearbeitet werden können."

Foto: APA/MARKUS LEODOLTER

Mit 1. September nimmt die neue Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ihre Tätigkeit auf. Mehr Personal, aber auch das "Stopfen der Lücken" im Gesetz sei nötig, um Korruption in Österreich effizient bekämpfen zu können, sagte Walter Geyer, der Leiter der neuen Staatsanwaltschaft, bei der Eröffnung. Justizministerin Beatrix Karl nannte die Korruptionsbekämpfung als ihr "erklärtes Ziel", die neue Staatsanwaltschaft solle die "Speerspitze" dafür sein.

Warum die neue Staatsanwaltschaft mit nur 15 statt 40 Staatsanwälten startet, welche Neuerungen es im IT-Bereich gibt, und ob die Verfahrensdauer tatsächlich verkürzt werden kann, sagt Georg Stawa, Projektleiter bei der Umsetzung der neuen Staatsanwaltschaft, im Interview mit derStandard.at.

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derStandard.at: Die neue zentrale Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen und Korruption wurde eröffnet. Wie lange haben Sie an der Umsetzung gearbeitet?

Stawa: Vom Gesetzesbeschluss im Herbst vorigen Jahres bis zur Eröffnung hat es gut acht Monate gedauert. Aber das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, die Behörde wird weiter ausgebaut. Aus den Modellen, die wir für die neue Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft entwickelt haben, wollen wir außerdem standardisierte Modelle für alle anderen Strafverfolgungsbehörden ableiten.

derStandard.at: Was waren die größten Herausforderungen?

Stawa: Die größte Herausforderung bestand in der Erarbeitung von Standardabläufen zur Bewältigung von umfangreichen und komplexen Verfahren. Im Bereich der IT wollten wir dazu neue Lösungen finden. Wir haben mit sehr komplexen Fällen umzugehen, müssen sehr große Datenmengen sehr rasch untersuchen und verknüpfen können. Wir wollten den Staatsanwälten ermöglichen, sich in wirklich großen und umfangreichen Verfahren sehr rasch einen Überblick verschaffen zu können. Dafür haben wir neue Standardabläufe entwickelt und verwenden ganz neue Softwaretools.

derStandard.at: Was können die Tools?

Stawa: Man muss davon ausgehen, dass alle Informationen, die die Polizei sammelt, in klassischer Papierform zur Verfügung stehen - etwa in Form von Einvernahmen, oder elektronisch - zum Beispiel im Fall gesamter Buchhaltungen. Das Problem ist, dass Akten Umfänge von 50.000 Seiten haben. Trotzdem muss man A mit B verknüpfen können. Genau dort setzt diese Software an, dass man während des Durcharbeitens des Inhalts Verknüpfungen nach Personen, Fakten, Zeitschienen vornehmen kann. Diese Verknüpfungen kann man dann auswerten lassen. Das nimmt einem das Programm ab. Man kann wesentlich schneller Sachverhalte identifizieren und je nach strafrechtlicher Relevanz zur Anklage bringen oder einstellen.

derStandard.at: Bisher wurden diese Akten händisch durchgearbeitet?

Stawa: Ja, im Prinzip schon. Natürlich gab es Unterstützung durch Software, aber da reden wir von normalen Office-Anwendungen, in Einzelfällen gab es gesonderte Unterstützung. Jetzt ist es möglich, umfangreiche Datenmengen zu strukturieren . Ich kann auf den Inhalt durch einen Filter, durch eine Lupe sehen.

derStandard.at: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft startet mit 15 Personen, ursprünglich hieß es, benötigt würden 40. Warum diese Personalknappheit?

Stawa: Der Gesetzesbeschluss zur Einrichtung der Behörde stammt vom Oktober 2010. Die Ausbildung von Staatsanwälten dauert mindestens vier Jahre. Dazu kommt, dass wir den Staatsanwälten bei der WKStA einer Spezialausbildung in Form von zertifizierten Lehrgängen in Zusammenarbeit mit Universitäten ermöglichen. Daher benötigt man eine gewisse Vorlaufzeit.

Wir haben jetzt bereits 15 gut ausgebildete und hoch motivierte Spezialisten zur Verfügung, deren Zahl laufend angehoben werden wird.

derStandard.at: Was unterscheidet die Arbeit in der WKStA von anderen Staatsanwaltschaften?

Stawa: Die Fälle sind sehr komplex und umfangreich bzw. politisch sensibel. Daher auch von besonderem Interesse für die Öffentlichkeit. Die Fälle sind langwieriger in der Bearbeitung, dauern naturgemäß länger. Man ist auch nicht von ständigen Erfolgserlebnissen gekrönt. Man muss damit leben können, monatelang einen Fall zu bearbeiten bis über eine Anklage oder Einstellung entschieden werden kann.

derStandard.at: Welchen Anreiz gibt es, um sich hier zu engagieren?

Stawa: Die Fälle der WKStA sind sehr interessant und vielschichtig. Zusätzlich haben wir ein neues System bei der Unterstützung eingerichtet, die sogenannten Team-Assistenten. Sie sollen für eine größere Flexibilität bei der Unterstützung eines Staatsanwaltes sorgen. Ein Staatsanwalt arbeitet nicht alleine, sondern ist in der Lage Teams zu bilden, die sich auf ganz bestimmte Aufgaben konzentrieren. Wir können hier zum ersten Mal Finanzexperten einsetzen - direkt in der Behörde, die Vorerfahrungen im Bereich Großbetriebsprüfung haben.

Sie stehen uns als Haussachverständige zur Verfügung. Wir müssen Akten zur Analyse nicht mehr in jedem Fall außer Haus geben und monatelang darauf warten. Der Staatsanwalt kann mit den Experten im Haus gleich parallel daran arbeiten.

derStandard.at: Die Erwartung ist jetzt, die Verfahrensdauer zu verkürzen?

Stawa: Das konzentrierte Know-How wird dazu führen, dass diese Fälle wesentlich konzentrierter bearbeitet werden können - mit noch besserem Sachverstand und Experten Know-How, als das in der Vergangenheit der Fall war, daher auch effizienter und kürzer. Das bedeutet aber nicht, dass jedes Großverfahren in zwei Monaten erledigt ist. 50.000 Seiten wollen vom Staatsanwalt einmal durchgearbeitet werden. (rwh, derStandard.at, 1.9.2011)