Einer von 29 EZB-Rats- und sechs EZB-Direktoriumsmitgliedern schwört bereits dem "nicht tragfähigen" Wachstumsmodell ab

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Alpbach - EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark lehnt das bis vor der Krise eingeschlagene Wachstumsmodell als "nicht tragfähig" ab. "Dieses Modell ist gescheitert, wir hatten über lange Zeit hohes Wachstum getrieben durch hohe Verschuldung", sagte Stark in Alpbach.

Die Krise sei weder in Europa noch in den USA vorbei, viele Staaten hätten lange Zeit über ihre Verhältnisse gelebt, sagte Stark. Es gebe heute keine andere Option als die Haushalte zu konsolidieren.

"Diese Krise hat mittel- und langfristige Auswirkungen und wird globale Trends verstärken, die sich schon vor der Krise gezeigt haben. Es gibt nicht nur Aufstieg, sondern auch Abstieg von Nationen."

Mit einer Wiedereinführung der Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken sei es nicht getan. Eine wesentliche Schwierigkeit sei aber "die Konzentration auf kurzfristige Lösungen", statt einer langfristigen makroökonomischen Wirtschaftspolitik. Dessen machten sich die Regierungen schuldig: "Die Regierungslösung für ein Problem ist oft genauso schlimm wie das Problem selbst."

Was die Finanzindustrie betrifft, so habe es 2008 nach dem Fall von Lehman vonseiten der G-8 den Vorsatz gegeben, kein Finanzinstitut, kein Produkt und keinen Markt unbeaufsichtigt zu lassen - mit dem Nachsatz "soweit angemessen". Dass es global nicht so weit kam, lag an unterschiedlichen Interessen auch der einzelnen Finanzzentren. Es gebe zwei Optionen: Entwicklungen zuzulassen wie in der Vergangenheit und dann die Scherben aufzulesen, wenn wieder eine Blase explodiert sei. Oder Prävention, die er, Stark, bevorzuge. Letztlich sei es eine politische Entscheidung, welches Geschäftsmodell von Banken verfolgt werde.

Der österreichische Vizekanzler Michael Spindelegger (V) lehnt die Zerlegung der Banken in Geschäfts- und Investmentbanken eher ab, weil die Banken auf die Investmenterträge angewiesen seien und ohne diese den Sparern nur geringe Zinsen zahlen könnten. EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla trat für das Verbot schädlicher Finanzprodukte ein. Man verbiete den Einsatz von Asbest als Baumaterial ja auch.

Auf Fragen nach den Gefahren, die mit dem Aufkauf von Staatspapieren südeuropäischer hochverschuldeter Staaten durch die EZB verbunden sind, meinte Stark, es gebe weltweit keine Zentralbank, die Papiere als Sicherheiten des jeweiligen Souveräns ablehne. Die EZB sei die Zentralbank von 17 Staaten und damit die von Griechenland genauso wie die von Österreich oder Frankreich. (APA)