Bild nicht mehr verfügbar.

Premier Kenny auf einem EU-Gipfel im Juli.

Foto: EPA/BRUNO FAHY

Dublin/Wien - Der Streit zwischen der katholischen Kirche und der irischen Regierung hat diese Woche einen neuen Höhepunkt erreicht. Für die jüngste Verschärfung sorgt ein Statement des Vatikan zum Gesetzesentwurf des Justizministers Alan Shatter, nach dem Geistliche künftig jeden Verdacht auf Kindesmissbrauch bei der Polizei melden müssen, auch wenn das Wissen darüber in der Beichte gewonnen wurde. Bei Nichtbeachtung sollen Priestern bis zu fünf Jahre Haft drohen. Das berichtete die katholische Nachrichtenagentur Kathpress am Mittwoch.

Seit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts über Missbrauchsfälle in der Diözese Cloyne am 13. Juli befinden sich die Beziehungen zwischen Kirche und Staat im katholischen Irland auf einem historischen Tief. Der Cloyne-Report untersuchte Beschuldigungen gegen 19 Geistliche, die in den Jahren 1996 bis 2009 vorgebracht wurden. Bis auf zwei Fälle handelte es sich um Vorgänge aus den Jahren 1930 bis 1990. Der Bericht bemängelte, der größte Teil der Missbrauchsfälle sei nicht den zivilen Behörden gemeldet worden. Noch am Tag der Veröffentlichung stellte Shatter seinen Gesetzentwurf vor.

Kritik an der Kirche

Auch der konservative Ministerpräsident Enda Kenny reagierte: Kurz nach der Publikation des Berichts kritisierte er in einer Rede vor dem Parlament den Vatikan mit ungewöhnlich scharfen Worten. Die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Irland könnten nach den Enthüllungen "nicht mehr die alten sein", so Kenny. Unter anderem warf der Politiker dem Vatikan vor, er habe noch bis 2008 die Verfolgung von Straftaten in Irland ins Leere laufen lassen. Man habe das "Vergewaltigen und Foltern von Kindern heruntergespielt", um den Ruf der Institution zu retten.

Daraufhin kam es zu einer diplomatischen Konfrontation. Am Sonntag äußerte sich dann der irische katholische Primas, Kardinal Sean Brady, in einer Predigt. Kernthema war das Beichtgeheimnis, das Brady mit deutlichen Worten verteidigte. Brady unterstrich die Bedeutung des "heiligen und gehüteten" Ritus der Beichte. Jeder Vorschlag, der die Unantastbarkeit des Beichtgeheimnisses untergrabe, richte sich gegen "das Recht jedes Katholiken auf Religions- und Gewissensfreiheit". Am Montag sprach der Vatikan dem Kardinal seine Unterstützung aus. "Die katholische Kirche verzichtet auf keinen Fall auf das Beichtgeheimnis", sagte der stellvertretende Vatikansprecher Ciro Benedettini.

Regierung entschlossen, Entwurf in nächster Legislaturperiode zu verabschieden

Das irische Justizministerium reagierte prompt: Noch am selben Tag sagte eine Sprecherin, das geplante Gesetz werde ohne Rücksicht auf "interne Regeln religiöser Gruppen" umgesetzt. Die Regierung sei entschlossen, den Entwurf schon in der nächsten Legislaturperiode zu verabschieden. "Gerade weil in der Vergangenheit so viele Verdachtsfälle nicht gemeldet wurden, wurden Sexualstraftäter in Sicherheit gewiegt und so noch dazu ermuntert, weiter Kinder zu missbrauchen", so die Sprecherin.

Auch die irische Familienministerin Frances Fitzgerald bekräftigte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender RTE, die neue Meldepflicht für Missbrauchsverdacht in allen Organisationen durchsetzen zu wollen, die mit Kindern arbeiten. Fitzgerald hatte schon im Juli ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Meldepflicht nicht vor dem Beichtstuhl haltmachen dürfe.

Hält die irische Regierung an ihren Plänen fest, droht die Kirche mit fortgesetzter Opposition. Ein Priester aus dem nordirischen Londonderry, Paddy O'Kane, sagte am Dienstag gegenüber der Tageszeitung "Belfast Telegraph", die katholischen Geistlichen würden eher ins Gefängnis gehen, als das Beichtgeheimnis zu brechen: "Natürlich muss der Schutz von Kindern sichergestellt werden. Doch ohne die Anerkennung der besonderen Vertrauensbeziehung zwischen Priester und Beichtendem kann ein Geistlicher sein Amt nicht mehr richtig ausüben." (APA)