Rund um die Uhr werden die Bedingungen in den Brutkästen überwacht

Foto: derStandard.at/Marietta Türk

Schwester Maria setzt vorsichtig die Atemmaske auf das kleine Gesicht

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Utensilien für die Bedürfnisse der Kleinsten der Kleinsten

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Mutter Ebru genießt die Nähe zu ihrem Baby, sie hat es gerade gefüttert

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Die Reanimationsnische steht gleich vor den Kreissälen

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Oberärztin Brigitte Bechter arbeitet schon seit 30 Jahren als Neonatologin

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Hier werden die roten Babytücher gewärmt

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Schwester Brigitte arbeitet gerne mit den kleinen Menschen, sie unterstützt die Mütter beim Stillen und der Pflege

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Verhalten und friedlich ist die Atmosphäre im Warteraum der Neonatologieambulanz in der Wiener Rudolfstiftung. Ein paar Vogelsticker zieren die Wände und ein Stoffhase hängt gleich daneben. Kleiner als gewöhnlich sind die Babys, die hier mit ihren Eltern auf die Nachkontrolle an der Frühgeburtenstation warten. Durch die Tür zum Behandlungsraum dringen die Laute der kleinen Patienten.

Drinnen herrscht geschäftiges, aber ruhiges Treiben. Die Stimmen sind gedämpft. Die Station hat neben normalen Entbindungszimmern auch Intensivkreissäle. Aus einem wird gerade eine lächelnde Mutter mit ihrem Neugeborenen auf der Brust geschoben – vorbei an der Reanimationsnische für die Frühgeborenen. Hier werden sie gewärmt und bei Atemproblemen entsprechend versorgt. Ein kompletter Intensivplatz für Babys.

Frühchen kommen laut heutiger Definition vor Ende der 37. Schwangerschaftwoche auf die Welt. Ursache ist meist eine Infektion. Obligat sind die dunkelroten, vorgewärmten Frotteetücher, mit denen die Kleinen eingewickelt werden: "Sie simulieren zumindest ein wenig die Gebärmutter", erklärt Oberärztin Brigitte Bechter. Im Idealfall dürfen die Kleinen nach der ersten Versorgung wieder zur Mutter, "Das ist wichtig für die Bindung."

Schwerarbeit beim Atmen

Im Zimmer mit den bläulich schimmernden Brutkästen werden die Frühgeborenen rund um die Uhr umsorgt – medizinisch und menschlich. Das Blaulicht ist gegen die Gelbsucht. Hier liegen Zwei, die schon "über den Berg" sind. "Das Kleine im linken Kasten ist fünf Tage alt", erzählt Schwester Maria, die gerade wieder die Atemmaske auf dem kleinen Gesicht anbringt. Ein Mechanismus dehnt die Lunge vor, damit sich der winzige Mensch leichter tut beim Atmen. Wie schwer ihm das fällt, ist ihm am Brustkorb abzulesen, der sich ganz hektisch von oben nach unten bewegt. Die Lunge ist jenes Organ, das am meisten unter der Unreife der Frühgeborenen leidet. Die Haut der Wesen scheint zu groß für die Körper, das liegt daran, dass das Unterfettgewebe noch nicht fertig ausgebildet ist.

Schläuche kleben auf der Haut der kleinen Wesen.
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Grenzen zurückgeben

Im rechten Brutkasten strampelt ein neugeborener Bub, der in der 33sten Woche auf die Welt gekommen ist, 1.470 Gramm leicht. Er liegt in einer Art Mulde. "Das ist unsere Nestpflege", erklärt Neonatologin Bechter, "die kleinen Neugeborenen brauchen dieses Nest, weil sie mit der Geburt ihre natürliche Begrenzung durch die Gebärmutter verlieren, sie wissen nicht wo sie sind und können sich kaum orientieren. Die Windelrolle gibt den Babies ihre Grenzen zurück, fördert die sensorische Körperwahrnehmung und reduziert somit Stress und Unbehagen."

Windeln wie beim Puppenspielen

An der Wand hängt ein großes Ohr, das blinkt, wenn der Lärmpegel im angrenzenden Raum zu hoch ist. Ruhe muss sein. Eine junge Mutter gibt ihrem Kind unter Anleitung der Schwester das Fläschchen. Das Baby hat schon ganz viele schwarze Haare. "Am Anfang hatte ich große Angst, aber jetzt ist alles gut", strahlt die 22-jährige Ebru. Daneben wickelt eine Schwester ein Mädchen – mit winzigen Windeln, die auch Babypuppen passen.

Nähe von Anfang an

Manche Eltern sind vier bis fünf Wochen auf der Station bei ihren Neugeborenen. Das Konzept ist die Nähe der Eltern zu den Frühchen. Manche Mütter legen ein T-Shirt von sich in das Bettchen, damit ihr Duft beim Baby ist. Mitsamt den Schläuchen werden die Neugeborenen ihnen auf die Brust gelegt, damit sie deren Herzschlag und die Wärme spüren.

Die Technik könne zwar viel, aber die Nähe helfe genauso beim Wachsen, ist die Neonatologin überzeugt. Weil die kleinen Körper so zerbrechlich scheinen, tun sich Eltern anfangs schwer sie anzugreifen. Die Schwestern helfen ihnen diese Angst abzulegen und den Umgang zu lernen. Früher war das anders: Man hat die Frühchen quasi weggesperrt, die Eltern konnten sie nur durch ein Fenster sehen. Eine abgeschottete Brutkastenstation sucht man hier aber vergeblich.

Hinaus in die Welt

Die meisten Frühchen, die in der Rudolfstiftung behandelt werden, schaffen den Schritt in die Welt hinaus, ganz frühe Fälle werden im AKH betreut. Ab der 24. Schwangerschaftswoche haben die Kleinen eine Chance zu überleben. Brigitte Bechter leugnet selbst nach 30 Jahren im Beruf Emotionen nicht: "Wenn Kinder sterben, ist das immer schlimm."

In einem großen hellen Raum stehen zwei Babyschalen nebeneinander. Bei genauerem Hinsehen bewegt sich dort etwas. "Da gehen heute Zwillinge nachhause", sagt die Ärztin und zeigt auf zwei Bettchen, aus denen dunkelhaarige Köpfchen lugen. In einem Jahr wird sie die Zwillinge wieder bei der Kontrolle sehen. "Das ist einer der schönsten Momente", sagt sie, "wenn wir ein Kind über Wochen und Monate begleiten und darum kämpfen und dann steht es als Einjähriges gesund in der Ambulanz. Da weiß ich, das Ganze hat Sinn gehabt." (Marietta Türk, derStandard.at, 26.9.2011)