Vorsicht! Wenn Sie ab Freitag das neue Album von Metallica nicht legal im Handel erwerben, werden Lars Ulrich und seine Freunde sehr böse. Heiliger Zorn. "St. Anger!"

Foto: Universal
Anmerkungen zur Zukunft der Musikverwertung am Beispiel der US-Band Metallica und ihres neuen Albums "St. Anger": Bisher galten Internet-Tauschbörsen als Feind der Musik. Möglicherweise aber gehen die Verkäufe nur zurück, weil CDs im Handel zu teuer sind.


Wien - Achtung! Hier ist etwas schwer am Dampfen! Zwar hat das Internet es bis jetzt nicht vermocht, Hörgewohnheiten zu verändern, die Macht der Konzerne und ihrer millionenteuren Erfolgsprodukte zu sprengen und den Raum für Nischenbewohner abseits der Trampelpfade von TV-Karaoke oder Superstars wie Robbie Williams zu öffnen.

Nimmt man aber zum Beispiel die US-Metal-Band Metallica und das Erscheinen ihres neuen, millionenschwer beworbenen Albums St. Anger am kommenden Freitag zum Anlass, ein wenig über Musikverwertung im Jahr 2003 nachzudenken, sieht man eines recht deutlich: Internationale Musikkonzerne wie Universal, Sony, Warner oder BMG Ariola beginnen nach einer Phase der schieren Panik wegen Verkaufs-, möglicherweise auch Gewinneinbrüchen durch das Internet wieder Fuß zu fassen.

Nicht nur, dass die legale Musikbörse iTunes Music Stores von Apple-Chef Steve Jobs bei einem zukünftig Millionen von Titeln umfassenden Download-Angebot für jeweils 99 US-Cent pro Lied jetzt im Mai sensationell gestartet ist. Trotz bisher mehrmals schief gegangener Versuche der Konzerne, illegalen Börsen wie KaZaA oder dem inzwischen legal eingemeindeten Napster mit Diensten wie MusicNet oder Pressplay den Rang abzulaufen, hat das bisher kaum geklappt.

Gerade am Beispiel der US-Superstars Metallica kann man aber jetzt verfolgen, wie bei gleichzeitigem Gejammer über Verkaufseinbrüche wegen nach wie vor dominanter illegaler Tauschbörsen endlich wieder der Rubel rollt.

Von der Tatsache, dass etwa Konzerne wie Sony - wie schon in den 70er-Jahren mit bespielbaren Musikkassetten - mit der Entwicklung von CD-Rohlingen und -Brennern in den 90er-Jahren kräftig an den gleichzeitig angeprangerten Raubpressungen mitgeschnitten haben, einmal abgesehen. Auch der Versuch, mittels Einführung des Kopierschutzes, der gewährleistet, dass überteuerte CDs weder auf PCs noch im Autoradio abgespielt werden können, kann nur als Ablenkungsmanöver gewertet werden.

Es geht hier schlichtweg darum, Großverdienern der Branche langfristig die Marktanteile zu sichern. Gerade Leute, die heftig illegal im Internet wildern, gelten auch als treue Kundschaft von legal erworbenen Tonträgern.

Ein Markt kollabiert

Die Musik allerdings sollte attraktiv sein. Im Falle des Konzerns EMI bekommt ein Künstler wie Robbie Williams im Vorjahr 135 Millionen Euro Vorschuss für eine Vertragsverlängerung, worauf 1800 Mitarbeiter der Firma den blauen Brief erhalten. Aufgrund der überhöhten CD-Preise in den Geschäften und einem absehbar gewesenen Flop auf dem US-Markt konnte Williams von für einen Breakeven nötigen 17 Millionen CDs vom aktuellen Album Escapology in einem halben Jahr nur fünf Millionen Stück absetzen. Hier ist ein Markt in der Krise, weil er auf einen irrealen Wert getrieben wurde.

Bei Metallica sieht das so aus wie bei Riesen im Geschäft mittlerweile üblich. Im Vorfeld der Veröffentlichung des Albums St. Anger, die den knapp 40 Millionen verkauften Tonträgern der Band noch ein wenig mehr hinzufügen soll, wird aus Angst vor Raubpressungen das gute Stück nicht mehr vor der regulären Veröffentlichung an Presse und Rundfunk verschickt, sondern erst am regulären Erscheinungstag ausgeliefert.

Wer die Stücke des Albums vorher hören will, muss exklusive "Listening Sessions" besuchen, bei denen man wie im Falle Metallicas Ende Mai in einem Berliner Kinosaal akribisch auf etwaig mitgebrachte Aufnahmegeräte durchsucht wird. Gleichzeitig kann man über die offizielle Band-Website metallica.com als Appetitmacher das aktuelle Video und die gleichnamige Single St.Anger downloaden, wie das Album inklusive Cover-Artwork dann später auch über das Internet vertrieben werden wird.

Das kommt wenig überraschend. Nach einer (inzwischen beigelegten) Klage gegen Napster aus dem Jahr 2000 sind Metallica nach einem Vergleich, der ihnen sehr viel Geld gebracht, allerdings Tausende Fans der Band nachhaltig verprellt hat, jetzt gerade auf dem britischen Festival Download als Überraschungsgäste aufgetreten. Zur Behebung eines schweren Image-Schadens auf einem Festival, das seit Jahren einzig aus dem Grund besteht, Musik aus dem Internet (legal, illegal, sehr egal) zu promoten.

Eine ergänzende und möglicherweise sinnvollere Strategie, um den kontinuierlichen Verkaufsrückgängen von CDs im Handel entgegenzuwirken, wurde am Dienstag in Brüssel präsentiert. Insgesamt 1200 Musiker, unter ihnen Pop-Größen wie Elton John, fordern darin die 20 Kommissare der EU auf, mit einer Ermäßigung der Mehrwertsteuerabgaben für "sozial notwendige Kulturgüter" für mehr Umsatz zu sorgen.

Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage des Verbandes der internationalen Tonträgerindustrie (Ifpi) würden 60 Prozent der über 16-Jährigen mehr CDs kaufen, wenn sie billiger wären. Die Studie behauptet weiter, dass die durch die Absenkung der Steuern verursachten Einbußen der EU-Staaten innerhalb von zwei Jahren durch den damit einhergehenden vermehrten Konsum ausgeglichen werden würden.

Die EU-Kommission bearbeitet gerade eine Änderung der Richtlinien für die Besteuerung von Kulturgütern. Dazu müssten alle EU-Finanzminister ihren Segen geben. Möglicherweise haben sich Metallica mit Napster also ihren falschen Feind gesucht. Nicht das Internet ist böse, sondern die Unterhaltungsindustrie selbst - und die Finanz. 21 Euro für eine CD sind zu viel. Heiliger Zorn. Oder eben: St.Anger ! (DER STANDARD, Printausgabe, 5.6.2003)