Saalfelden - In Summe ein sehr respektabler Festivaljahrgang. Es ist nun aber nicht so, dass Saalfelden keine Achillesferse hätte. Mit seinem Wunsch nach Offenheit mutiert es mitunter leider zum Fest dürftiger Rockmusik, deren Gäste sich an den 1970er-Jahren festsaugen wie übende Pubertierende. Hierzu lieferte Geigerin Jessica Pavone mit Army Of Strangers den Negativhöhepunkt des finalen Festivaltages.

Rein stilistisch klang das, als wollte man die hymnischen Künste des Mahavishnu Orchestra wiedererwecken, indem man den typischen Mix aus ergeigtem Lyrismus und hitziger Jazzrock-Ekstase bemüht. Was beim Original jedoch mit den Mitteln formaler Kompaktheit Dramatik erlangte, führte hier zu Geigenkitsch, an den brachiale Teile angehängt wurden. Der Vorgang wiederholte sich mit grausame Voraussagbarkeit.

Wenn man schon dabei ist: Die energisch auf Notenmengenrekord angelegte Arbeit von Gitarrist Nels Cline wirkte schon sehr vordergründig und ebenfalls deplatziert. Ansonsten aber überwog auch am letzten Tag das Gute: Schlagzeuger Jim Black präsentierte sich im Trio mit dem hierzulande eher unbekannten österreichischen Pianisten Elias Stemeseder, der auf diskrete Abstraktion setzte, während Black das Dreiergespräch - ein Nachteil für die Gesamtwirkung - auch lautstärkemäßig dominierte.

Das ganz Andere: Die Band Das Kapital nahm sich des Liedguts von Hanns Eisler im Sinne der Umdeutung vor. Extrem die Bandbreite. Kleidete man manches in Bossa-Gewand, dekonstruierte man es dann brachial improvisierend. Und beim Modell "fröhliche Melodie und deren Zerlegung" blieb es dann auch, ohne dass klar wurde, ob hier außermusikalische Botschaften transportiert werden sollen.

Toll das Finale, das Trio The Bad Plus hatte Saxofonist Joshua Redman gut integriert: Mit klarem Ton "sang" er sich durch das ausgeklügelte Repertoire und zeigte bei seinen Soli, welch substanzvoller Gestalter er ist. Da berückten die Prägnanz der Idee und Fülle des Ausdrucks.

Joshua Redman hätte zweimal auftreten sollen - statt einer der rocklastigen Formationen dieses Wochenendes, an dem sich der Hitzesommer mitunter zu einem neblig-kühlen Herbst wandelte. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD - Printausgabe, 30. August 2011)